13 x Japan aus 13 verschiedenen Blickwinkeln

In der Bildmitte zwei Ausgaben von "The Honorable Visitors", darum herum Schwarzweiß-Fotografien von Charles Chaplin, Isabella Bird, Rudyard Kipling, William Faulkner und Pierre Loti

Donald Richie (2001): The Honorable Visitors. Tōkyō und New York: ICG Muse, 207 Seiten.

Japan fordert heraus. Schon immer haben Reisende zur Feder gegriffen und ihre Eindrücke festgehalten. Dass ihre Aufzeichnungen oftmals mehr über sie selbst als über das bereiste Land verraten, ist den wenigsten bewusst. Ihre Interessen, ihr Charakter und ihre Reiselaune bestimmen ihr Bild über das Land, in dem sie unterwegs sind, entscheidend mit. Am wichtigsten scheinen die Erwartungen zu sein, die die Besucherinnen und Besucher an das fremde Land herantragen: An ihnen wird alles Erlebte gemessen.

Wie heutige Touristen unterschieden sich auch die früheren Reisenden: Einige wollten das Ungewohnte, Neue erleben, andere wollten genau das vermeiden, erwarteten gewohnte Standards, um sich wie zu Hause zu fühlen – und so fielen die Urteile über die Fremde sehr unterschiedlich aus …

Über das Buch

Das Buch versammelt 13 Essays über Reisende verschiedener Zeiten: Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Filmschaffende, Politiker. Donald Richie durchforstete Reisebücher und Aufzeichnungen berühmter Besucherinnen und Besucher Japans, charakterisierte in den Essays ihre Lebenssituation, zitierte aus ihren Schriften und fasste ihre wichtigsten Eindrücke zusammen.

Die Darstellungen umfassen zwischen 7 und 18, die meisten 12 Seiten. Sie sind chronologisch geordnet, die Auswahl der Reisenden ist eher zufällig und orientiert sich an der Verfügbarkeit englischsprachiger Reisebeschreibungen. Bevor die Essays in dem Buch zusammengefasst wurden, erschienen einige von ihnen in „Winds“ (Zeitschrift der Japan Airlines) und in der Zeitung „The Japan Times“. Die Erstauflage erschien 1994 bei Charles E. Tuttle und wurde, um einen Beitrag über William Plomer erweitert, bis heute mehrmals nachgedruckt.

Der Autor

Donald Richie (1924-2013) wurde in den USA geboren. 1947 ging er als Soldat der US-amerikanischen Besatzungsmacht nach Japan und schrieb für die „Pacific Stars and Stripes“, eine Zeitung für die Truppen der US-amerikanischen Streitkräfte.

1949 bis 1953 studierte Richie in seinem Heimatland Anglistik, wieder zurück in Japan arbeitete er als Filmkritiker für „The Japan Times“. Der Schriftsteller und Journalist verbrachte den größten Teil seines Lebens in Japan, seine Schriften behandeln unterschiedliche Aspekte der japanischen Kultur. Sein Buch „The Inland Sea“ (1971) wurde zu einem Klassiker der Reiseliteratur. Bekannt wurde er aber durch seine Aufsätze über den japanischen Film, besonders über Kurosawa Akira (1965) und Ozu Yasujirō (1974).

Portraitfoto.

01. Donald Richie.

Einen guten Überblick über seine vielseitigen Essays geben die Textsammlungen „The Donald Richie Reader. 50 Years of Writing on Japan“ (herausgegeben von Arturo Silva, 2001) und „The Japan Journals: 1947-2004“ (herausgegeben von Leza Lowitz, 2005).

Auf der einen Seite: das Land

In der Einführung (S. 11-34) gibt Donald Richie einen kurzen geschichtlichen Abriss zu Japan, vor allem zu den politischen Hintergründen während der schwierigen Situation des Umbruchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das für zweieinhalb Jahrhunderte nach außen hin weitgehend abgeschottete Land war im Inneren zerrüttet und zugleich gezwungen, sich mehreren westlichen Mächten zu öffnen. Unterschiedliche politische Strömungen kämpften um die Vorherrschaft, darum, das Geschick des Landes in einer so entscheidenden Phase nach ihren Vorstellungen zu lenken. Dies war für die wenigen Ausländer, die sich in Japan aufhielten, nicht ungefährlich.

Auf der anderen Seite: die Gäste

Die dreizehn Essays zeigen Eindrücke, die ausländische Gäste über ein Jahrhundert hinweg von Japan gewonnen haben, Bilder, die sie sich von dem Land gemacht haben (S. 33-34). Donald Richie unterscheidet dabei zwischen Besuchern – um die es hier geht – und Ausländern, die eine Zeit lang in Japan ansässig waren (S. 33). Ausgewählt hat er Reiseaufzeichnungen, die eine Charakterisierung von Japan und zugleich einen Eindruck von den Schreibenden aufscheinen lassen (S. 33).

In der folgenden Besprechung greife ich aus der Auswahl von Donald Richie die spektakulärsten Reisenden heraus, um die Änderungen in der Wahrnehmung Japans deutlich zu machen.

Die ersten Jahrzehnte der Meiji-Zeit

Isabella Bird, Ulysses S. Grant, Pierre Loti, Henry Adams, Rudyard Kipling

„Here was a land that, to the Western eye, had fallen asleep in the reign of Elizabeth and only awakened during that of Victoria.“ (S. 23)

Wie würden die Menschen in diesem Land sein? Über sie war erstaunlich wenig bekannt. Mit Ausnahme der Schriften einiger Japan-Forscher, die sich in den letzten beiden Jahrhunderten als niederländische Kaufleute in das abgeschlossene Land geschmuggelt hatten, waren Informationen rar. Bis in die 1860er Jahre war den wichtigen Repräsentanten aus Europa und den USA noch nicht einmal mehr die Bedeutung des Tennō in Kyōto bewusst, sie gingen lange Zeit davon aus, der Shōgun hätte auf absehbare Zeit uneingeschränkte Gewalt inne (S. 24).

Gemälde von Tennō Mutsuhito (Meiji-Tennō), stehend, in westlicher Galauniform.

02. Portrait des Meiji-Tennō (1880). Donald Richie beschreibt, wie Japan sich beim Besuch des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Ulysses S. Grant im Zeremoniell nach westlichem Vorbild übte: Bei der kaiserlichen Audienz wurden zur Begrüßung die Hände geschüttelt, der amerikanische Ex-Präsident geleitete die Frau des Tennō zum Dinner. 1879 war Japan auf der Suche nach Verbündeten in der Frage der Ryūkyū-Inseln, und Grant beriet zu internationalen Fragen.

In kolonialer Manier richtete sich der Blick der Europäer und US-Amerikaner von oben herab auf Japan, dessen Einwohner wie „Kinder“ seien, so „lernwillig“ und „lernfähig“. Bald kursierten Bilder über dieses fremde, so „pittoreske“ Land – ein Euphemismus für „unterentwickelt“, die Einwohner „reizende Kinder, wunderlich und drollig“, im Ausdruck zum Teil noch weitaus verächtlicher (S. 25, 85). Ihre Haltung gegenüber Japan war ambivalent: Auf der einen Seite bedauerten die Besucher den Verlust des Alten, zugleich bemängelten sie, dass das Land noch nicht auf „der Höhe der Zivilisation“ sei.

Unter diesen Eindrücken erlebten die ersten fünf Reisenden Japan in den Jahrzehnten nach der erzwungenen Öffnung, Ende der 1870er bis Ende der 1880er Jahre. Damals war eine Weltreise noch etwas sehr Außergewöhnliches, nur wenige hatten die finanziellen Mittel, sich auf den Weg zu machen. Aber unter den wenigen Reisenden kursierten schon fest verankerte Stereotypen über das Land.

Ganz besonderen Vorschub leisteten dabei die Schriften von Pierre Loti (1850-1923, mit richtigem Namen: Louis Marie Julien Viaud). Er kam 1885 als französischer Marineoffizier mit 35 Jahren nach Japan. Damals feierte er Erfolge als Schriftsteller von Liebesromanzen, und nicht nur er selbst, sondern auch seine Leserschaft sah in ihm den Charmeur, der weltweit die Herzen fremdländischer Frauen brach.

Seine Erwartungen an Japan waren hoch, denn eines der Stereotypen war die „Unmoral“ oder „Sittenlosigkeit“ der Japaner und besonders der Japanerinnen (S. 67). Sie galten als äußerst attraktiv und wurden oft mit Puppen verglichen. Pierre Loti erwarb für zwanzig Dollar eine junge Frau, und nach einer kurzen „Heiratszeremonie“ hatte er seine eigene „musume“ – wörtl. „Tochter“, „junges Mädchen“, „junge Frau“, ein gängiger Begriff unter den damaligen Ausländern für Frauen (S. 70).

Die Beziehung gestaltete sich nicht nach seinen Vorstellungen, nichts verbinde ihn mit den Japanern – eine Haltung, die er einnehmen musste, war er doch ständig auf der Suche nach dem exotischen „l’ailleurs“, „dem Anderswo“ (S. 71). Donald Richie zitiert mehrere Zeitgenossen, die feststellen, dass der Zauber von Lotis Schriften nachgelassen habe, dass er nicht mehr aufmerksam um sich schaue, um Neues zu entdecken (S. 71-72).

Zwei Herren in weißen Anzügen stehend, die Japanerin im Kimono in der Mitte sitzend. Alle Portraitierten schauen in verschiedene Richtungen.

03. Pierre Loti (rechts) mit „Chrysanthème“ und seinem Freund Yves.

Skizze von einem Baum, im Hintergrund der Berg Fuji.
Skizze von einem Europäer, der eine Treppe in ein Obergeschoss hinaufgeht und oben eine nackte Japanerin überrascht.
Skizze von nackten Japanerinnen beim Bad in einem hölzernen Zuber.
Skizze von einer Treppe, die zu einem Tempeltor hinauf führt.

04.1.-04.4. Illustrationen aus „Japoneries d’automne“

Loti fühlte sich nicht wohl, auch nicht in Liebesfragen, fand kaum etwas Exotisch-Anbetungswürdiges und machte keinen Versuch, irgendetwas in Japan zu verstehen und angemessen zu würdigen. Seine japanische Frau gab er am Ende seines Aufenthalts wie ein Objekt zurück (S. 74-76).

Seine Japan-Trilogie „Madame Chrysanthème“, „Japoneries de l’automne“ und „La troisième jeunesse de Mme Prune“, allesamt Prototypen des literarischen Exotismus, wurden dagegen Bestseller. Die Frauenfiguren entsprechen der von Edward Said beschriebenen orientalischen Frau, die – gefügig und einfühlsam – Machtfantasien westlicher Männer anregt (S. 76).

Donald Richies Urteil ist vernichtend: „The bad tourist, always imperialistic, does not wish to learn or to experience. The aim, rather, is to acquire as much as cheaply as possible, then to return home with the loot. This is what Loti did.“ (S. 77).

Ganz anders nahm Isabella Bird (1831-1904) das Land wahr, eine durch und durch bewunderungswürdige, selbstständige Reisende des 19. Jahrhunderts, unterwegs auf vor ihr von Ausländern nicht betretenen Pfaden, nach ihrem eigenen Kopf. Sie war 47 Jahre alt, als sie 1878 nach Japan kam.

In der Phase des Umbruchs, als die japanische Regierung sich als „modern“ im westlichen Sinne präsentieren wollte, sollten ausländische Gäste nur bestimmte Sehenswürdigkeiten wie Nikkō oder Hakone bereisen. Aber Isabella Bird „was looking, like many another sincere traveler, for authenticity.“ (S. 38).

Sie hörte auf keinen der gut gemeinten Ratschläge, packte ihre Sachen und fand mit Hilfe von James Curtis Hepburn – dem Missionar und Sprachforscher, nach dem die Umschrift „Hepburn-System“ genannt wird – einen 18jährigen Japaner, der sie auf ihrer Route begleitete (S. 39-40).

Portrait in Schwarz-weiß von einer selbstbewussten älteren Dame.

05. Die berühmte Reiseschriftstellerin Isabella Bird.

Über morastig-feuchten Boden, im Dauerregen, in einfachsten Unterkünften mit allem denkbaren Ungeziefer bahnte sich das interessante Duo seinen Weg nach Norden. Mit der Zeit akzeptierte Isabella Bird die Umstände, die sie vorfand, und begann, obwohl sie überall Aufsehen erregte und angestarrt wurde, Japan als sicheres Reiseland sehr zu schätzen (S. 41-43).

Ihr Ziel war es, „to de-cherry-blossom Japan“ [„Japan zu ent-kirschblütisieren“] (S. 47), sie schrieb gegen die Klischees an, die sich schon festgesetzt hatten, sehr zum Missfallen ihres Verlegers, der sich viel mehr von den Themen gewünscht hätte, die den allgemeinen Erwartungen entsprachen.

Aber: Isabella Birds Reisebericht wird heute noch zitiert, wenn es um die Beschreibung der Lebensumstände des ländlichen Japans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geht (zum Beispiel auch in der Biografie von Toshie). Donald Richies Fazit: „Isabella Bird in Japan had been one of its first and one of its best travelers.“ (S. 47).

Das Ehepaar Kanaya mit ihren drei Kindern, sehr ernst in die Kamera blickend.

06. Der Hotelbesitzer Kanaya und seine Familie, Foto von Isabella Bird.

Skizze einer Frau im Kimono, die ihr Kleinkind auf dem Rücken trägt.
Skizze von zwei Mönchen.
Skizzen von zwei Ainu.

07.-09. Isabella Bird schaute genau hin – hier detailgetreue Zeichnungen einer Frau mit Kind in Kaminoyama, von Mönchen und von zwei Ainu-Männern.

Der zweite Reisende, der in der Zeit des Kolonialismus, der durch Herablassung geprägten Begegnungen, mit einem vergleichsweise unverstellten Blick Japan bereiste, war der britische Schriftsteller und Dichter Rudyard Kipling (1865-1936).

Kipling, der 1907 den Nobelpreis für Literatur erhielt und in Deutschland vor allem für sein Jugendbuch „Das Dschungelbuch“ bekannt ist, war 1889, als er zum ersten Mal Japan erreichte, mit 24 Jahren ein noch unbekannter Zeitungsjournalist. Er war in Indien aufgewachsen und wie die anderen Reisenden von kolonialem Denken geprägt. Trotzdem: „For him the Japanese were people – ordinary people – and were understandable as such.“ (S. 94). Kipling wollte nichts Mystisches entdecken, keinen Exotismus erleben, er beobachtete. 

Portrait in Schwarz-weiß.

10. Rudyard Kipling 1895 in London.

Donald Richie schätzt Kiplings Briefe über Japan bis heute als „one of the best views to be had of Meiji-period Japan“ (S. 94). Er war offen für die Ästhetik des Landes, bewunderte das Handwerk bzw. Kunsthandwerk (S. 101) und setzte die Werte des Westens nicht als universelle Standards.

11. 1892 erschien Kiplings Gedicht „Buddha at Kamakura“ mit dem Untertitel „And there is a Japanese idol at Kamakura“. Das Gedicht kann man hier nachlesen, hier gibt es eine Interpretation. – Das Gemälde des Großen Buddha von Kamakura stammt von John La Farge (1886).

Blick von unten hinauf zur Buddha-Figur, die teilweise von einem Schilfdach und von Gebüsch verdeckt wird.

1920er und 1930er Jahre

Aldous Huxley, William Plomer, Charlie Chaplin, Jean Cocteau

Mit den nächsten Besuchern macht Donald Richie einen Zeitsprung: Japan hatte inzwischen zwei Kriege, gegen China und gegen Russland, gewonnen. Nachdem sich das Land militärisch gegen eine europäische Großmacht behauptet hatte, galt es schon lange nicht mehr als „pittoresk“, zumal es gestärkt aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war.

1932, mit 43 Jahren, bereiste Charles Chaplin (1889-1977) zum ersten Mal Japan, seine Neugier war durch ein Buch von Lafcadio Hearn geweckt worden (S. 131). Unter Chaplins Angestellten waren in die USA emigrierte Japaner, zu denen er ein sehr enges Verhältnis hatte, das vertrauteste zu seinem Chauffeur, Sekretär und späteren persönlichen Diener Kōno Toraichi.

Bei seiner Ankunft war Chaplin bereits ein gefeierter Weltstar, und so gab es einen Massenauflauf, als sein Schiff in Kōbe einfuhr, wie Chaplin im Rückblick schreibt: keinerlei Zurückhaltung – „It was as excited and emotional as any crowd I have ever seen anywhere.“ (S. 133)

Chaplin war begeistert von den japanischen Bühnenkünsten, vor allem von Kabuki-Aufführungen, und besonders von der Perfektion, die die Künstler an den Tag legten.

Portrait in Schwarz-weiß.

12. Charles Chaplin, 1920.

Im Hintergrund geschah allerdings für ihn Rätselhaftes. Kōno ließ den Wagen anhalten und bat Chaplin eindringlich, sich vor dem Kaiserhaus zu verbeugen, Chaplins Gegenstände im Hotelzimmer wurden durchwühlt, Angebote zu seltsamen Treffen wurden ihm unterbreitet (S. 133-135).

Es war die Zeit des zunehmenden Militarismus in Japan. In einer Reihe blutiger Aufstände und Attentate durch junge Offiziere waren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie der Finanzminister Inoue Junnosuke und Dan Takuma, Vorstand von Mitsui, ermordet worden. Die Ermordung des Premierministers am 15. Mai 1932 führte zur weiteren Destabilisierung der liberalen Regierung.

Charles Chaplin bei einem Buffet mit japanischem Essen.

13. Charles Chaplin in Yokohama.

Chaplins Diener Kōno Toraichi hatte die Bedrohung im Vorfeld erkannt und wiederholt Vorkehrungen getroffen, zum Beispiel kurzfristig die Programmpunkte seines Aufenthalts geändert, um Chaplin nicht zur Zielscheibe eines Attentats werden zu lassen (S. 139-141).

Und tatsächlich – laut der Aussage eines Verschwörers – hätte auch Chaplin, als Berühmtheit der USA, „Liebling der Kapitalisten“, bei dem Treffen mit dem Premierminister ermordet werden sollen (S. 137-138).

Trotz der politisch instabilen Lage reiste Chaplin noch weitere Male nach Japan, allerdings inkognito, das zweite Mal im Mai 1936, wenige Monate nach dem Putschversuch vom 26. Februar 1936.

Titelseite der Asahi shinbun.

14. Ausgabe der „Asahi shinbun“ mit der Beschreibung des Vorfalls am 15. Mai 1932, der Ermordung des Premierministers Inukai Tsuyoshi.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

William Faulkner, Truman Capote, Angela Carter, Marguerite Yourcenar

Japan hatte die vollkommene Niederlage im Zweiten Weltkrieg und die Zeit der Besatzung hinter sich. Es folgte ein rasanter wirtschaftlicher Aufstieg. Die Gäste kamen jetzt mit dem Flugzeug.

Natürlich kämpften die meisten von ihnen nach wie vor mit der Sprachbarriere und zuweilen auch mit überzogenen Erwartungen an das Fremde, das „Andere“. Doch sie brachten weitaus mehr Vorwissen mit, waren an Kultur und Alltag des Landes interessiert, bewunderten beispielsweise die Bühnenkünste und fanden Inspirationen für ihre eigenen Werke. Viele, wie die Schriftsteller Truman Capote und Mishima Yukio fanden auch auf persönlicher Ebene einen gemeinsamen Nenner (S. 171-172).

William Faulkner (1897-1962) kam 1955 nach Japan und entpuppte sich als virtuoser Repräsentant der US-amerikanischen Kultur. Während einer gemeinsamen Tagung von Professoren und Schriftstellern in Nagano fand er Kontakt vor allem zu jungen Leuten, konnte Parallelen zwischen Entwicklungen in den Südstaaten der USA und in Japan ziehen.

Portrait in Schwarz-weiß.

15. William Faulkner, 1954.

Mit Ausnahme von Angela Carter wurden die Japan-Reisenden, die Donald Richie in diesem Buch charakterisiert, im 19. und frühen 20. Jahrhundert geboren. Sie wurden Zeugen einiger heftiger Veränderungen, die Japan im letzten Jahrhundert durchmachte. Und so beendet Donald Richie sein Buch mit den Sätzen: „The collision of cultures, the spectacle of the century, one country evolving from its past into its future – this is over. Now something else will happen. And other visitors will come to watch it.“ (S. 197)

Der Spiegel des Zusammentreffens: Was macht den Besuch aus?

Es gibt unzählige Reiseberichte über Japan. Was dieses Buch interessant macht, ist die Zusammenstellung der Beiträge und damit die Möglichkeit, die vielen Perspektiven auf das Land miteinander zu vergleichen. Dies führt automatisch zu der Frage, was die Wahrnehmung von Reisenden lenkt.

16.-17. Posterentwürfe der Nippon Mail Steamship Company, 1890er Jahre.

Drei Damen im Kimono, daneben ein kleines Bild von einem Dampfer.
Im Vordergrund Chrysanthemen und ein Bonsai-Baum, im Hintergrund ein Dampfschiff in einem roten Punkt vor weißem Hintergrund.

Zunächst einmal natürlich die Erwartungen, die auf Bildern aufbauen, die Medien – ausländische wie japanische – von Japan vermitteln. Dazu kommen die Erfahrungen vor Ort. In der Erkenntnis, dass Japan kein Märchenland, sondern ein realer Ort mit echten Menschen war, wurzelte die Enttäuschung vieler Reisenden im 19. Jahrhundert.

Entscheidend aber ist: Die Fähigkeit, die Erwartungen mit den tatsächlichen Erfahrungen in Einklang zu bringen, hängt von der Beobachtungsgabe, vom Charakter, den Vorlieben, der Offenheit, dem Vorwissen und der Lebenssituation der Reisenden ab. Außerdem von ihrer Reisebegleitung und ihrer Berühmtheit, die darüber entscheidet, ob sie den Aufenthalt nach eigenen Vorstellungen oder nach festem Zeremoniell gestalten (müssen).

Sind sie clever und kommen sie mit den Herausforderungen der Reise, mit der fremden Sprache, der Infrastruktur, den Enttäuschungen und dem fremden Klima zurecht? Das „Andere“, ist es anziehend oder erschreckend? „It depends on you“ sagt Donald Richie, der die Meinung vertritt, dass Japan beides bieten kann, das Vertraute und das Fremde (S. 11).

Und so ist dies zwar ein Buch über Japan, genauso aber auch eine Charakterisierung der Menschen, die das Land besucht haben.

Schmökernswert

Und obwohl es auch viele „schlechte“ Reisende gibt: „All things considered, there are only two kinds of men in the world – those who stay at home and those who do not. The second are the more interesting.“ (Rudyard Kipling, S. 95).

Das Buch bietet viele Einblicke: auf den vorherrschenden Zeitgeist, auf einen Lebensabschnitt der Reisenden, auf ihr Anliegen, nach Japan zu reisen, und ihre persönliche Verfassung bei ihrer Ankunft. Man trifft noch auf viel mehr als auf die dreizehn erwähnten Besucherinnen und Besucher, da Donald Richie immer wieder auch aus anderen Tagebüchern und Reisenotizen zitiert.

Er schreibt unterhaltsam, flicht Hintergrundinformationen wie beiläufig in die Texte ein und stellt zuweilen, wie in dem Beitrag über William Plomer, auch persönliche Überlegungen an. Die Essays bieten einen guten Einstieg sowohl in die verschiedenen Zeiten wie auch in die Biografien der Reisenden. Sie machen Lust, mehr zu erfahren. Die Bibliografie am Ende des Buches weist den Weg zu den Originaltexten.

Susanne Phillipps

21.06.2022 (Ausgabe 07)

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08: Von Isabella (Bird) Bishop (1831-1904) – https://digital.nls.uk/120758597Isabella Bird's travel photographs > Japan > Unbeaten Tracks in Japan > Volume 1 > (1) Frontispiece – Yomei Gate, shrines of Nikko, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=99636946

09: Von Isabella (Bird) Bishop (1831-1904) – https://digital.nls.uk/120758596Isabella Bird's travel photographs > Japan > Unbeaten Tracks in Japan > Volume 2 > (1) Frontispiece – Ainos of Yezo, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=99637057

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12: Von Strauss-Peyton Studio – National Portrait Gallery, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24576869

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