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Ausstellung „Space in Motion“ von Eva Rugel: Bezaubernde fotografische Rollbilder


Sie sehen im ersten Moment aus wie kakemono, japanische Rollbilder im Hochformat. Dabei sind es Fotografien, und zwar ganz besondere: vertikale Panoramen. Zu sehen sind europäische Städte und Naturlandschaften, von Venedig bis Berlin, von Schottland bis in die Provence … allerdings gemacht mit dem Versprechen der Kunst: die Welt in einer vollkommen anderen Wahrnehmung, mit einem ganz anderen als dem gewohnten Blick zu zeigen.
Denn in diesen Panoramen schaut Eva Rugel nach oben, der Raum beugt sich, entlang der Bildränder verknoten sich Häuser, Brücken, Straßen, Wiesen, dazwischen ist ein Stückchen Himmel zu sehen – die Horizontlinie verliert sich in den Linien und den Flächen. Das Ergebnis: Abstrakte Kunst.
So sucht das Auge Orientierung: oben ist unten, unten zugleich oben. Es bedarf einen Moment, bis die Bildelemente sich sortieren. Und eben diese genauere Betrachtungsweise, die es braucht, um das Dargestellte überhaupt zu verstehen, bringt mit sich, dass sich das Alltägliche neu und anders zeigt.
Eva Rugel studierte Japanologie, in ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich mit Fotograf/innen der Moderne. Beeinflusst von der japanischen Ästhetik schulte sie als Weltreisende ihren Blick. Die Aufnahmetechnik für ihre fotografischen Rollbilder entdeckte sie für sich, als sie unter einem Baum sitzend die ganze Schönheit vor, über und hinter ihr in einem einzigen Foto zusammenbringen wollte.
Bezüge zu Japan springen vielleicht nicht sofort ins Auge, sind aber auf alle Fälle wirksam. Wie historische japanische Landkarten lassen sich die Fotografien beispielsweise von allen Seiten her betrachten. Jetzt gibt es die schöne Gelegenheit, die Werke in einer Ausstellung zu entdecken:
Ausstellung „Space in Motion“. Fotografien von Eva Rugel
Kunstraum Nigra Monaĥejo, Rathausgasse 48, 79098 Freiburg, 24.5.-21.6.2025


Auf Eva Rugels Homepage ist das Begleitprogramm zur Ausstellung (darunter ein Origami-Workshop, Führungen, Lesungen, Konzerte) zu erkunden sowie ihr bisheriges Schaffen zu besichtigen: Ausstellungen, eine Buchpublikation, Kalender- und Karteneditionen.
Kamishibai in der Edition Bracklo
Gabriela Bracklo veröffentlicht Geschichten, Sagen und Märchen im Bilderbuchformat. Dabei richtet sie ihr Augenmerk auf Erzähltraditionen verschiedener Kulturen. Mehrere Publikationen widmen sich der japanischen Tradition des Kamishibai („Papiertheater“).
Japan, in den 1920er Jahren: Straßenverkäufer haben auf dem Fahrrad, mit dem sie durch die Straßen ziehen, einen Holzkasten montiert. Die Schubladen enthalten nicht nur Süßigkeiten, die sie verkaufen wollen, sondern auch Bilderkartensets. Sie parken ihr Fahrrad an einer belebten Kreuzung und schlagen ihre Holzstäbe (hyōshigi) aneinander, um auf sich aufmerksam zu machen. Wenn die Kinder eintrudeln, verkaufen sie ihnen die mitgebrachten Süßigkeiten als Eintrittsgeld für eine Theatervorstellung. Die Vorfreude steigt.
Für die Vorführung klappen sie einen Holzrahmen als kleine Bühne auf und erzählen Geschichten zu den Bildkarten. Diese verlaufen mit jedem Mal ein bisschen anders, denn die Erzähler lassen ihrer Fantasie freien Lauf, bauen Soundeffekte ein und improvisieren.
Die Zeit während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren bis in die Nachkriegszeit wird als das „Goldene Zeitalter“ des Kamishibai bezeichnet. Die Kartensätze bestanden damals aus einzeln hergestellten, handgemalten Originalen, und die Erzähler erreichten enorm viele Kinder: 1933 gab es allein in Tokio etwa 2.500 Kamishibaiya, die mehrmals täglich vor etwa 30 Kindern auftraten. Verdrängt wurden sie Mitte der 1950er Jahre durch das Fernsehen. Viele Zeichner der Bildersets schufen später Manga und Gekiga (siehe: Wikipedia, Eintrag „Kamishibai“).



Erzähler präsentieren Abenteuer des Superhelden „Ōgon Batto“ („Golden Bat“ – „Goldene Fledermaus“).

Der berühmte und mehrfach ausgezeichnete Fotograf, Schriftsteller und Illustrator Allen Say (geb. 1937) veröffentlichte die Geschichte des Kamishibai als Bilderbuch aus der Perspektive eines ehemaligen Erzählers: „Der Kamishibai-Mann“ (2015, Hardcover, 40 Seiten; Übersetzung aus dem Amerikanischen: Gabriela Bracklo). Allen Say verbrachte seine Kindheit in Japan und greift in seinen Bildergeschichten oft auf Erinnerungen an eigene Erlebnisse, auf japanische Geschichten und Märchen zurück.
Bei der Edition Bracklo (Preisträgerin des Deutschen Verlagspreises 2024) gibt es außerdem japanische Geschichten und Märchen als Bilderbücher sowie Kartensets für Kamishibai-Erzählungen.
Länderportrait Japan
Mein Länderportrait zu Japan ist nun in zweiter Auflage wieder lieferbar, als Hardcover in einem neuen Format realisiert und inhaltlich umfassend aktualisiert.
Das Buch umfasst:
- Geografie und Klima
- Flora und Fauna
- Kulturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart
- aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation
- moderne Künste und Populärkultur
- virtuelle Reise durch Japan mit einer Beschreibung der Regionen
Alle Doppelseiten sind mit Abbildungen versehen, die den Text begleiten und erläutern.
Susanne Phillipps (2024): Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen. Berlin: Mana; Hardcover, 542 Seiten.

Über mich
Im Herbst 1987 schrieb ich mich zum Studium der Japanologie ein. Dass ich mich schon lange mit Japan beschäftigte, wurde mir bewusst, als Tennō Akihito im April 2019 abdankte. Ich erinnerte mich an seine Thronbesteigung im Januar 1989 und realisierte, dass eine Ära, die ich ganz miterlebt hatte, vorüber war.
Nach dem Studium wählte ich das Lebenswerk des promovierten Mediziners und Manga-Zeichners Tezuka Osamu zum Dissertationsthema. Seit dieser Zeit arbeite ich bei einem mittelständischen Unternehmen für Medizintechnik, verantwortlich für grundlegende Organisationsstrukturen und für das QM-System. Der Kontakt zu Forschung und Lehre ist jedoch nie abgebrochen. Regelmäßig verbringe ich längere Zeit in Japan und veröffentliche Bücher über das Land. So entstand im Laufe der Zeit die Idee für dieses Online-Magazin.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung: susanne.phillipps@japanwissen.info
20. März 2025 (Ausgabe 18)
Susanne Phillipps
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Bildnachweis
Header: Von Bruno Cordioli from Milano, Italy – Kimono enchantment, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10405206, Ausschnitt, Schrift eingesetzt.
Fotografische Rollbilder: © Eva Maria Rugel
Kamishibai 1: Von aki.sato (aki sato) – https://www.flickr.com/photos/neco299/5320569712/, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12819363
Kamishibai 2: Von Moroboshi – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17620112
Kamishibai 3: Von Moroboshi – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17620111
Buchcover Kamishibai-Mann: © Edition Bracklo
Buchcover Japan: © Mana-Verlag