Aktuelles
Charlotte Perriand – modern, selbstbewusst und voller Pioniergeist
In dieser Ausgabe möchte ich erneut einen Film empfehlen, den ARTE in der Mediathek zur Verfügung stellt:
Stéphane Ghez (2018): Charlotte Perriand. Pionierin des Alltagsdesigns. Frankreich: ARTE (53 min).
Charlotte Perriand (1903-1999) war eine lebensfrohe, freiheitsliebende, absolut ungewöhnliche Frau: eine Innenarchitektin und Möbeldesignerin, die mit ihren Werken für Furore sorgte. Schon in den 1920er Jahren legte sie Entwürfe vor, die ihrer Zeit weit voraus waren. Die Ideen entwickelte sie aus eigenen Bedürfnissen heraus, wie einen Ausziehtisch, den sie entwarf, um Freunde in ihrer engen Wohnung empfangen zu können (6:30).
Ihre Themen sind heute noch aktuell: die Schaffung von günstigen Wohnungen (sozialer Siedlungsbau, Kreation von angenehmem Wohnraum auch auf kleiner Fläche), Unterkünfte für die Freizeitgesellschaft, Möbel im Baukastensystem zum Selbstmontieren.
Die Dokumentation zeigt Stationen aus Perriands Leben: zunächst ihre Zusammenarbeit mit dem Stararchitekten Le Corbusier in den 1930er Jahren, dann ihren mehrjährigen Japanaufenthalt in den 1940er Jahren, schließlich ihre Entwürfe, die sie in hohem Alter für das neue Skiressort Les Arcs anfertigte.
Ganz zu Beginn des Films steht eine Passage aus ihrer Autobiografie, in der sie die nüchterne Kargheit des Krankenhauses beschreibt, die ihr so sehr zusagte, im Gegensatz zu der mit Möbeln vollgestopften Wohnung ihrer Familie. „Hier entdeckte ich unbewusst die Leere. Sie ist allmächtig, weil sie alles enthalten kann.“ (3:00) „Nur im Leeren wird Bewegung möglich.“ (43:45)
Diese Grundideen überlappten sich perfekt mit den ästhetischen Prinzipien, die sich seit früher Zeit in Japan herausgebildet hatten: Perriands Kunst des Wohnens war bestimmt von minimalistischer Sachlichkeit.

Heute besitzen die Möbelstücke von Charlotte Perriand Kultstatus:
– ein Stuhl von 1927;
– Sessel LC2 von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand von 1928;
– Liege LC4 mit einem Untergestell aus Holz und einen Stahlrohrrahmen für Sitz und Rückenlehne;
– Tisch und Hocker, Grand Palais, 2008.



Nach Japan wurde sie von Sakakura Junzō eingeladen, einem Architekten, den sie bei Le Corbusier kennengelernt hatte. Sie verließ Paris 1940, inmitten des Krieges, mit der Aufgabe, das japanische Handwerk und Gewerbe auf dem Weg in die Moderne zu begleiten. Sie reiste vier Monate über das Land, besuchte Kunstschulen, Manufakturen und Handwerker. Nach Japans Angriff auf Pearl Harbor musste sie das Land verlassen und ging nach Indochina. Erst 1946 kehrte sie nach Frankreich zurück.
Aus der Ankündigung von ARTE:
„Mit Hilfe unveröffentlichter Tonaufnahmen präsentiert die Dokumentation in Form eines Erinnerungstagebuchs ein ganzes Leben im Zeichen der Kreativität und lässt den Zuschauer eine außergewöhnliche Persönlichkeit entdecken.“
Die mitreißende Dokumentation ist bis zum 04.07.2023 hier abrufbar.
Nach wie vor aktuell
Empfehlungen aus früheren Ausgaben, die nach wie vor aktuell sind.
Über mich
Im Herbst 1987 schrieb ich mich zum Studium der Japanologie ein. Dass ich mich schon lange mit Japan beschäftigte, wurde mir bewusst, als Tennō Akihito im April 2019 abdankte. Ich erinnerte mich an seine Thronbesteigung im Januar 1989 und realisierte, dass eine Ära, die ich ganz miterlebt hatte, vorüber war.
Nach dem Studium wählte ich das Lebenswerk des promovierten Mediziners und Manga-Zeichners Tezuka Osamu zum Dissertationsthema. Seit dieser Zeit arbeite ich bei einem mittelständischen Unternehmen, verantwortlich für grundlegende Organisationsstrukturen und für das QM-System. Der Kontakt zu Forschung und Lehre ist jedoch nie abgebrochen. Regelmäßig verbringe ich längere Zeit in Japan und veröffentliche Bücher über das Land. So entstand im Laufe der Zeit die Idee für dieses Online-Magazin.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung: susanne.phillipps@japanwissen.info
21. März 2023
Susanne Phillipps
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Bildnachweis
Header: Von Bruno Cordioli from Milano, Italy – Kimono enchantment, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10405206, Ausschnitt, Schrift eingesetzt.
Stuhl: Von I, Sailko, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22218734
Sessel: Von Christopher Söhngen – www.seipp.com (Martin Seipp/Christopher Söhngen), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47263493
Liege: By Tim Evanson from Cleveland Heights, Ohio, USA – LC4 lounge – Le Corbusier Charlotte Perriand, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75641738
Tisch mit Hockern: By Jacques.delacroix – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19541283