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Beeindruckende Kurzfilme des Foto-Journalisten Fritz Schumann

Fritz Schumann studierte Journalismus in Hannover und Hiroshima. In seiner Zeit in Japan beschäftigte er sich mit den verschiedensten Themen, die er in einer ganz eigenen Technik filmisch umsetzt.

Mit Beginn eines Filmes ist eine Stimme aus dem Off zu hören, die zunächst nicht zuzuordnen ist. Um so mehr konzentriert man sich auf diese Stimme: Wie alt ist die Person, die gerade spricht, woher kommt sie? Nur in einzelnen Fällen werden kurze Sätze der Erklärung eingeblendet, weder erscheint der Filmemacher im Bild, noch sind seine Fragen zu hören. Die Filme leben von den Redebeiträgen der Interviewpartnerinnen und -partner (auf Japanisch, mit deutschen oder englischen Untertiteln).

Die Personen stellen sich vor – manchmal ist die Kamera ganz nah an ihren Gesichtern – und erzählen, was sie tun, warum sie es tun. Anhand der Portraits wird ihre Geschichte entblättert, zugleich treten die historischen Hintergründe zu Tage. So wird langsam die Bedeutung dieser Person als Stellvertreter/in für einen ganz bestimmten Ort, eine Institution oder eine historische Erfahrung deutlich.

Die Redebeiträge unterlegt Fritz Schumann mit Bildern und Klängen, die fein auf das Thema abgestimmt sind (Musik von Mario Kaoru Mevy). Dies können Landschaftsbilder, Nahaufnahmen auf ein Windspiel oder vom Inneren eines Hauses, ruhige Szenen wie bei der Verrichtung von Arbeiten im Alltag sein. Dazu kommen alte Schwarzweiß-Fotografien, Postkarten oder Zeichnungen. Eine Aneinanderreihung von Stillleben, die so gut auf das Gesagte abgestimmt ist, dass man sich selbst inmitten der Szenerie wähnt.

Während Fritz Schumann sein Gegenüber und damit das Publikum mit seinen unhörbaren Fragen durch das Gespräch leitet, strahlen die Filme eine große Ruhe aus. Dies schafft eine unglaubliche Nähe zu den Erzählenden, bietet Einblicke in die Gedankenwelt, die Gefühle der Personen bis hin zum Erstaunen, welche Offenheit sie an den Tag legen.

Fritz Schumann erklärt, der Stil resultiere einerseits aus seinem Experimentieren, sei andererseits auch Folge der technischen Herausforderung, mit den Menschen zu sprechen und zugleich auf die Kamera zu achten. Der Stil falle auf, gelte als langsam, entspreche nicht der Zeit – und genau das macht die Filme so eindrücklich: Die ruhigen Bilder, die Stimme aus dem Off, die langsame Bewegung des fließenden Wassers, die begleitende Musik haben in ihrer Gesamtwirkung an einigen Stellen etwas Mystisches.

„Valley of Dolls“ (2014, 6:30 min) ist ein Portrait von Ayano Tsukimi, einer der letzten Bewohnerinnen des abgelegenen Dorfes Nagoro auf Shikoku. Sie schildert, wie es dazu kam, dass sie über dreihundert lebensgroße Puppen schuf und im Dorf verteilte.

In „A Story of Steel and Ink“ (2015, 10 min) spricht Yamamoto Osamu über die Druckerei Benridō in Kyōto. Er ist verantwortlich für die Lichtdrucktechnik, ein 150 Jahre altes Druckverfahren. Das Atelier arbeitet für das Büro des japanischen Kaiserhauses: Es fertigt Kopien antiker Schriftrollen, Gemälde und Briefe an. 

„Hōshi“ (2014, 12 min) portraitiert das etwa 1.300 Jahre alte Hotel Hōshi Ryokan in Awazu, das als eines der ältesten, noch aktiven Familienunternehmen der Welt gilt. Aus den Redebeiträgen des aktuellen Besitzers (Hōshi Zengoro, dem 46.), seiner Frau und seiner Tochter wird deutlich, welch Ehre und zugleich Last es darstellt, in einen traditionellen Betrieb wie das Hōshi Ryokan hineingeboren zu werden, was es bedeutet, sein Leben für ein solches Unternehmen zu opfern, um die Familienlinie weiterzuführen.

„Über den Berg“ (2018, 10 min) ist ein Portrait von Katō Takeharu, einem Angestellten in Tōkyō, der sich dazu entschlossen hat, sein bisheriges Leben aufzugeben und als Yamabushi (Bergasket, Anhänger des Shūgendō) zu leben. 

„Ōkunoshima“ (2013-2019, 30 min) dokumentiert die Geschichte der Insel Ōkunoshima in der Seto Inlandsee. Die Insel gilt heute als beliebtes Freizeitziel, zwischen 1939 und 1945 wurde dort Giftgas produziert.

Bei der Lektüre seines Buches „Japan, wer bist du? Verborgene Orte und unerzählte Geschichten“ (Berlin: Reisedepeschen Verlag, 2024) schaut man hinter die Kamera. Im Gegensatz zu den Filmen, die Fritz Schumann allein durch seine Fragen lenkt, macht er sich hier selbst sichtbar, tritt hervor, erklärt seine Motivation und seine Erwartungen, seine Nachforschungen zu den Projekten, seine Beobachtungen, Gespräche und Gefühle vor Ort.

Das Buch enthält 15 Beiträge, Erfahrungsberichte zu Recherchen an den unterschiedlichsten Orten in Japan, darunter auch an Stätten, zu denen er Filme gedreht hat. Er führte Gespräche mit Menschen, die alternative Lebensentwürfe realisierten, sich für fast vergessene, entvölkerte Landstriche oder Ruinen, lost places, einsetzen. Sie gestalten diese Orte, schaffen ein besonderes Leben für sich und andere, arbeiten dabei immer gegen das Vergessen und gegen den Verfall.

 

Nach wie vor aktuell

Länderportrait Japan

Mein Länderportrait zu Japan ist nun in zweiter Auflage wieder lieferbar, als Hardcover in einem neuen Format realisiert und inhaltlich umfassend aktualisiert.

Das Buch umfasst:

  • Geografie und Klima
  • Flora und Fauna
  • Kulturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart
  • aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation
  • moderne Künste und Populärkultur
  • virtuelle Reise durch Japan mit einer Beschreibung der Regionen

Alle Doppelseiten sind mit Abbildungen versehen, die den Text begleiten und erläutern.

Susanne Phillipps (2024): Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen. Berlin: Mana; Hardcover, 542 Seiten.

Empfehlungen aus früheren Ausgaben, die nach wie vor aktuell sind.

 

Über mich

Im Herbst 1987 schrieb ich mich zum Studium der Japanologie ein. Dass ich mich schon lange mit Japan beschäftigte, wurde mir bewusst, als Tennō Akihito im April 2019 abdankte. Ich erinnerte mich an seine Thronbesteigung im Januar 1989 und realisierte, dass eine Ära, die ich ganz miterlebt hatte, vorüber war.

Nach dem Studium wählte ich das Lebenswerk des promovierten Mediziners und Manga-Zeichners Tezuka Osamu zum Dissertationsthema. Seit dieser Zeit arbeite ich bei einem mittelständischen Unternehmen für Medizintechnik, verantwortlich für grundlegende Organisationsstrukturen und für das QM-System. Der Kontakt zu Forschung und Lehre ist jedoch nie abgebrochen. Regelmäßig verbringe ich längere Zeit in Japan und veröffentliche Bücher über das Land. So entstand im Laufe der Zeit die Idee für dieses Online-Magazin.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung: susanne.phillipps@japanwissen.info

21. Dezember 2024 (Ausgabe 17)

Susanne Phillipps

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Bildnachweis

Header: Von Bruno Cordioli from Milano, Italy – Kimono enchantment, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10405206, Ausschnitt, Schrift eingesetzt.

Cover Japan-Buch: © Mana-Verlag