Europas Vorstellungen von Japan – festgehalten auf reich verzierten Weltkarten

Lutz Walter (Hg.) (1993). Japan mit den Augen des Westens gesehen. Gedruckte europäische Landkarten vom frühen 16. bis zum 19. Jahrhundert. München, New York: Prestel; broschiert, 232 Seiten.
Sie sind traumhaft anzuschauen: die bunten, reich ausgeschmückten, mit fantasievollen Szenen umrahmten Weltkarten, die vor einigen Jahrhunderten in Europa gedruckt wurden. Noch dazu sind sie voller Überraschungen. Denn nicht alle Küstenlinien verlaufen in der uns heute geläufigen Form. Als die Karten entstanden, waren noch lange nicht alle Bereiche der Erde ausgemessen. Bei ihrer Gestaltung waren die damaligen Kartografen auf fantastische Abenteuerberichte angewiesen, versuchten zu kombinieren und Rückschlüsse zu ziehen.
Japan, am anderen Ende der Weltkugel gelegen, gab lange Zeit viele Rätsel auf. Die Karten, die in diesem Katalog vereint sind, zeigen, wie sich aus den ersten Visionen langsam die Umrisse der heutigen Inseln herausschälten.
Der Katalog als Geschenk zum Jubiläum
Der Katalog ist schon über dreißig Jahre alt. Er wurde im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (Ostasiengesellschaft, kurz: OAG) anlässlich ihres 120jährigen Bestehens herausgegeben und begleitete die gleichnamige Ausstellung im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin im Herbst 1993. Im selben Jahr wurde die Ausstellung in Tōkyō, Nagasaki und Kōbe, im Folgejahr in New York gezeigt. Dazu erschien die englische Version des Katalogs mit dem Titel „Japan. A Cartographic Vision. European Printed Maps from the Early 16th to the 19th Century”.
Die OAG wurde 1873, zu Beginn der Meiji-Zeit, von Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Diplomaten in Tōkyō gegründet. Sie gehört zu den ältesten ausländischen wissenschaftlichen Gesellschaften in Japan, die bis heute aktiv sind.
Eberhard Friese schaut in seinem Beitrag auf die Anfangszeit der OAG zurück: Die politische Lage war in Japan damals alles andere als stabil. So wurde im Folgejahr der OAG-Gründung, 1874, das Gründungsmitglied Ludwig Haber (der Onkel des Nobel-Preisträgers Fritz Haber) in Hakodate durch das Attentat eines Samurai getötet (S. 10).
Die Forschung zu Japan hatte damals noch keine universitäre Verankerung, und so wurde die OAG zu einem Ort, an dem namhafte Mitglieder ihre Kenntnisse über das Land präsentierten, austauschten und publizierten.
Die historischen Landkarten eigneten sich hervorragend für das Jubiläum, denn in ihnen spiegelt sich die Mischung aus Pioniergeist von Kaufleuten, Neugierde, Forschungsdrang und wissenschaftlichem Austausch.
Über den Katalog
Der Katalog besteht aus:
- einleitenden Abschnitten: Grußwort, Vorwort und Geleitwort;
- drei Hauptteilen: Aufsätze (S. 9-89), Tafeln (Darstellung von 140 Exponaten; S. 91-183) und Katalog (Erläuterungen zu den 140 Exponaten; S. 185-205);
- einem Anhang: Verzeichnis der Besitzer/innen der abgebildeten Werke, Literaturverzeichnis, Fotonachweis, Verzeichnis der Autor/innen und Personenregister.
Der Band erschien bei dem für die Veröffentlichung von Ausstellungskatalogen bekannten Verlag Prestel, der auf Bildbände zu Kunst und Fotografie, Architektur und Design sowie auf Kinderbücher spezialisiert ist.

01. Karte des Pazifischen Ozeans, Abraham Ortelius, 1589. Die japanischen Inseln liegen links oben.
Über die Autor/innen der Beiträge
Die Beiträge stammen von vier Japanologen und einer Japanologin mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten: Eberhard Friese, Ulrich Pauly, Wolfgang Michel, Josef Kreiner und Adriana Boscaro.
Zwei Beiträge wurden von Sammlern und Spezialisten für historische Karten verfasst: Roderick M. Barron (Händler und Forscher) und Jason C. Hubbard (Jason C. Hubbard Collection).
Der Herausgeber des Katalogs, Lutz Walter, hat mehrere Beiträge sowie die Anmerkungen zu den dargestellten Karten („Katalog“) verfasst. Er war von 1990 bis 1992 Vorsitzender der OAG.
Die Beiträge
Die Beiträge lassen sich in vier Gruppen einteilen:
- Überblicksdarstellungen zur geschichtlichen Entwicklung
- Eberhard Friese: 120 Jahre OAG – Eine Gesellschaft macht Wissenschaftsgeschichte
- Roderick M. Barron: Europäische Karten und Kartographen
- Ulrich Pauly: Von Marco Polo bis Siebold – Ein Überblick
- Wolfgang Michel: Reisen der Niederländischen Ostindischen Kompanie im japanischen Archipel
- Historische Entwicklung, Analyse und Klassifizierung von Japan-Karten
- Lutz Walter: Zur Typologie in Europa gedruckter Japankarten (1595-1800)
- Wolfgang Michel: Zur Lesung japanischer Namen in westlichen Karten
- Jason C. Hubbard: Die Japankarte des Christophoros Blancus von 1617
- Der Beitrag bekannter Japan-Forscher zur Kartografie
- Lutz Walter: Engelbert Kaempfer und die europäische Kartographie Japans (siehe auch die Empfehlung zu Lemgo, der Heimatstadt von Engelbert Kaempfer)
- Lutz Walter: Philipp Franz von Siebold – Vollender und Begründer
- Die Entwicklung von Karten spezieller Areale
- Josef Kreiner: Europäische Karten der Ryūkyū vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
- Adriana Boscaro und Lutz Walter: Ezo und die umliegenden Gebiete in der europäischen Kartographie Japans
Historischer Ausgangspunkt
Das Zeitalter der Renaissance (15./16. Jahrhundert) war von der Wiederentdeckung der Klassik und zugleich von immensem Forschungs- und Wissenszuwachs geprägt. Beide Aspekte waren für die Entwicklung der Kartografie von großer Bedeutung:
1. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch türkische Truppen brachten Flüchtlinge ihre Bibliotheken mit nach Westeuropa, wo jetzt, nach über tausend Jahren, griechische Schriften wiederentdeckt und ins Lateinische übersetzt wurden. Unter ihnen befanden sich Aufzeichnungen und Karten von Ptolemäus, durch die sich neue Sichtweisen auf die Welt auftaten (Barron, S. 12).

02. Die Weltkarte aus einer Ausgabe der Korrekturen von Nicolaus Germanus aus dem Jahr 1482, Basis sind die wiederentdeckten griechischen Manuskripte der „Geographie“ von Ptolemäus aus dem 2. Jahrhundert.

03. Nach einigen Jahrzehnten um die neusten Erkenntnisse erweitert: die Weltkarte von Sebastian Münster (1488-1552) mit Zipangu, 1553.
2. Portugal und Spanien sandten im 15. Jahrhundert Flotten auf Entdeckungsfahrten. Die Steuermänner nutzten neue Techniken der Navigation und fertigten Karten (Portolane) mit rasterartigen Anordnungen an.

04. Portolankarte von Südostasien des Portugiesen Fernão Vaz Dourado, 1571. Japan ist rechts oben in der auf Navigationskarten typischen „Krabbenform“ zu sehen (S. 17).

05. Hendrick Florent van Langren, Ostorientierte Karte von Ostasien, Amsterdam 1596. Norden ist links, weshalb Japan links oben liegt, in der Krabbenform.
Ihr Wissen hielten die Seefahrernationen so lange wie möglich geheim. Erst mit dem Aufkommen des Buchdrucks wurde dies immer schwieriger. Hier setzen die im Katalog versammelten Karten ein, die mit dem Verbreitungsgrad in gedruckter Form unausweichlich immer mehr Menschen erreichten.
In Europa bildeten sich kartografische Schulen heraus, die ihre Zentren immer dort hatten, wo die Wirtschaft am stärksten, die Seefahrt und damit der Welthandel am aktivsten waren: zunächst in Italien, dann in den Niederlanden, Frankreich und England.
Der Erwähnung von Marco Polo folgend wurde Japan auf Weltkarten schon verzeichnet, allerdings noch mit unterschiedlichen Formen. Die folgenden Karten zeigen Schritte in dieser Entwicklung.

06. Weltkarte von Matteo Contarini und Francesco Rosselli, gedruckt 1506 in Venedig oder Florenz. Zum ersten Mal wird Japan (entsprechend dem Bericht von Marco Polo) als Insel Zipangu dargestellt: auf der linken Seite in der Mitte, um 90 Grad gedreht (Barron, S. 14).

07. Japan in der Karte Ostasiens, von Abraham Ortelius (1527–1598) 1572 publiziert. Die Form der japanischen Inseln ist noch unklar.

08. Weltkarte von Petrus Plancius mit Stichen von Jodocus Hondius, gedruckt von Cornelis Claesz in Amsterdam, 1592. Japan liegt oben rechts.

09. Detail einer Weltkarte von Patrus Plancius von 1594
Der Kern des Katalogs: die Typologie der in Europa gedruckten Japan-Karten
In einem Beitrag stellt Lutz Walter die verschiedenen Typen von Japan-Karten vor, die zwischen 1595 und 1800 in Europa gedruckt wurden (S. 40-47). Ihre Vielfalt lässt sich auf zwei Ausgangskarten zurückführen (wobei die Karten die Namen ihrer Urheber tragen):
- Ortelius/Teixeira von 1595
- Blancus/Moreira von 1617
Beide basieren auf portugiesischen und japanischen Kenntnissen. Vor allem die Jesuiten sammelten Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts viele Informationen über Japan (S. 23, 24). Bei genauerem Hinsehen kann man typische Merkmale erkennen, in denen sich die beiden Karten unterscheiden.

10. Die wichtigsten Charakteristika des Ortelius/Teixeira-Typs sind (S. 41):
- Honshū erstreckt sich streng von West nach Ost.
- Die Noto-Halbinsel ist stark vergrößert.
- Shikoku verjüngt sich keilförmig von West nach Ost.
- Kyūshū ist streng von Nord nach Süd orientiert.
- Korea ist eine keilförmige, von Nord nach Süd spitz zulaufende Insel.
Auf der Karte „Iaponia“ von Jodocus Hondius (1619), gestaltet nach Abraham Ortelius, sind die Eigenschaften gut zu sehen.

11. Die wichtigsten Charakteristika des Blancus/Moreira-Typs sind (S. 41):
- Japan ist in 66 Provinzen eingeteilt.
- Honshū erstreckt sich von Südwesten nach Nordosten.
- Honshū ist weitgehend realistisch dargestellt, nur die Nordostspitze ist pilzartig ausgeformt.
- Ezo (Hokkaidō) erscheint am oberen Kartenrand als abgerundete Südspitze.
- Kyūshū ist nicht nur an der West- sondern auch an der Ostküste stark zerklüftet.
- Von Korea erscheint am linken Kartenrand nur ein schmaler Streifen.
Auf der Karte von Antonio Francisco Cardim (1596-1659, Karte von 1646) sind die Charakteristika gut zu erkennen.
Lutz Walter stellt dar, wie nachfolgende Kartografen sich immer wieder auf diese beiden Kartentypen bezogen, sie entweder im Ganzen kopierten oder Eigenschaften von beiden miteinander kombinierten. In diesen Vermischungen entwickelten sich in den nachfolgenden Jahrzehnten neue Kartentypen. Walters Darlegung gipfelt in einem Diagramm, in dem er, ausgehend von den beiden Ursprungskarten, die Einflüsse auf die späteren Karten schematisch darstellt (S. 47).
Um Einflussfragen zu klären, wird nicht nur die Darstellung der Umrisslinien der Inseln herangezogen. Sehr aufschlussreich sind auch die in den Karten verzeichneten Orte: welche wurden ausgewählt, wo in der Karte platziert und wie geschrieben? Die Umschrift (Transkription) japanischer Laute war damals noch nicht standardisiert. So lautete die Bezeichnung für die Insel Shikoku bei Cardim (1646) „Xicocv“, bei Dudley (1646) „Scicocu“, bei Kaempfer/Scheuchzer (1727) „Sikokf“ und bei Valentyn (1726) „Sikoko“ (S. 50). In seinem Beitrag macht Wolfgang Michel deutlich, warum heute einige der auf den alten Karten verzeichneten Ortsnamen nicht sofort erkennbar sind: Zum einen gab es in der Zwischenzeit Lautverschiebungen im Japanischen, zum anderen, und das ist viel prägender, versuchten die Fremden, das Japanisch, das sie durch den Klangfilter ihrer Muttersprache hörten, in ihrem Lautsystem niederzuschreiben.
Die Systematisierung der Karten (Tafeln und Katalog)
Die 140 Karten der Ausstellung sind in acht Kapiteln chronologisch bzw. thematisch angeordnet und werden von Lutz Walter ausführlich kommentiert.
- Das Jahrhundert von „Zipangu“ (Tafeln 1-10)
1459 erschien Japan zum ersten Mal auf einer europäischen Manuskriptkarte (Weltkarte des Frau Mauro), ab 1506 auch auf gedruckten Karten. Basis war die Beschreibung von Marco Polo.
- Die Kenntnisse der portugiesischen Seefahrer (Tafeln 11-13)
Die Seeleute hielten ihre Kenntnisse in handgezeichneten Portolankarten (Seekarten zum Navigieren) fest.
- Das Jahrzehnt der japanischen Gesandtschaft nach Europa (Tafeln 14-18)
Mit der Gesandtschaft von vier jungen Japanern unter Obhut der Jesuiten nach Rom gelangten 1582 auch Japan-Karten nach Europa. In der Folgezeit erschienen die ersten gedruckten Einzelkarten von Japan.
- Drei Jahrhunderte Fortschritt und Rückschritt (Tafeln 19-87)
Die Japan-Karten sind im Katalog angeordnet nach den Typen, die Lutz Walter in seinem Beitrag vorstellt. In einigen Fällen werden die japanischen Vorlagen den europäischen Drucken direkt gegenübergestellt. Dies verdeutlicht, wie beispielsweise Kaempfer die Karte überarbeitete, um sie an europäische Sehgewohnheiten anzupassen (Karten 72-75, 97-99).
- Städte- und Straßenkarten (Tafeln 88-105)
Die Karten zeigen vor allem Nagasaki und Edo, Anfangs- und Endpunkt der so genannten Hofreisen der Vertreter der Vereinigten Ostindischen Companie (VOC) zum Sitz des Shōgun in Edo, sowie einige Streckenkarten.
- Der Süden und der Norden – Ryūkyū und Hokkaidō (Tafeln 106-122)
Die Karten zeigen Bereiche südlich und nördlich der Hauptinseln Honshū, Shikoku und Kyūshū.
- Das frühe 19. Jahrhundert (Tafeln 123-129)
Karten aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigen genauere Küstenreliefs als ihre Vorgängerkarten.
- Siebold (Tafeln 130-140)
Mit den Erkenntnissen und dem Material, das Philipp Franz von Siebold während seines Aufenthalts in Japan gewinnen konnte, zeigen die Karten schließlich einen realitätsnahen Umriss.

12. Karte von Hendricus Hondius, 1623.

13. Die Route von Ōsaka nach Jedo. Die Karte stammt aus einem reich illustrierten Reisetagebuch einer niederländischen Handelsdelegation. Der Autor der Karte war ein Pfarrer aus Schellingwoud, Arnoldus Montanus, der Ereignisse und Geschichten von Expeditionsteilnehmern beschrieb. Das Buch wurde 1669 von Jacob van Meurs in Amsterdam veröffentlicht.
Dreißig Jahre nach seinem Erscheinen –
– ist der Katalog inzwischen selbst schon Ausdruck seiner Zeit, abzulesen an der alten Rechtschreibung und manchmal auch an der Sprache. Da viele der historischen Karten inzwischen im Internet zu Verfügung stehen, ist heute kaum noch zu ermessen, welch akribische Vorbereitungen es vor dreißig Jahren bedurfte, alle 140 Karten – ohne digitale Erfassung – aufzuspüren, für die Präsentation in den Ausstellungen und für den Druck zusammenzubekommen – einige von ihnen zum ersten Mal. Dass der Katalog heute noch bedeutsam ist, liegt vor allem an der systematischen Sortierung und Anordnung der Karten durch Lutz Walter.
So ist der Katalog auch heute noch lesens- und betrachtenswert, denn …
… er verdeutlicht die enorme Ästhetik der Meisterwerke.
Die damaligen Karten sind Meisterwerke, und sie alle in der vorliegenden hervorragenden Qualität in dem Katalog vereint vor sich zu haben, ist ein Genuss, ein Augenschmaus. Besonders die frühen Karten, die entstanden, als man noch östlich von Japan gelegene Gold- und Silberinseln vermutete (S. 37), regen mit den Gemälden, die in die Karten integriert sind, die Fantasie an.

14. Beispiel für eine Gestaltung von verschiedenen Ausgaben (1683-1719) von Mallet.

15. Karte von Pieter von der AA, Leiden, 1706/1714:
Karte von Japan mit William Adams, der 1707 den Shogun besucht. Oben rechts ist Hokkaido („Terra de Iesso“) zu sehen, links ein Teil der koreanischen Halbinsel. Unten rechts zeigt eine Kartusche die Audienz von William Adams beim Shogun (Tokugawa Ieyasu). Der Text unten rechts lautet: „William Adams Reystogt na Oost-Indien; Avontuurlyle door de Straat Magellaan in’t Keyzerryk van Iapan Voleyndigd.“ Übersetzung = „William Adams reist nach Ostindien; abenteuerlich durch die Magellanstraße im Reich Japan vollendet.“
… die Systematik der Karten zeigt die Entwicklung des Erkenntnisgewinns.
Die spannende Frage, die sich beim Betrachten der Karten stellt, betrifft die Gestaltung der noch unerforschten Bereiche – in Bezug auf Japan vor allem: der genaue Verlauf insbesondere der Nordküste von Honshū; die Frage, ob es sich bei Ezo (Hokkaidō) um eine Insel oder Halbinsel handelt; die Lage der Flüsse und Städte im Landesinneren.
Wie sollte man mit den Unklarheiten umgehen? Welcher der widersprüchlichen Interpretationen sollte man folgen, welche Vorlage für glaubwürdig halten?
Und: Welche Methoden gab es, das noch Unbestimmte, das Leere zu gestalten? Unerforschtes in der Peripherie konnte man an den Kartenrand schieben und damit den Küstenverlauf unbestimmt halten, man konnte eine Linie nach eigenen Schlussfolgerungen ziehen oder einfach enden lassen. Eine Alternative war die fantasievolle Ausschmückung des leeren Raums mit Bildern.

16. Johannes Janssonius, 1666: eine Karte mit noch offenen Linien. Edo liegt hier zu weit im Landesinneren.
Die Karten zeigen den üblichen, allgemeinen Gang des Erkenntnisgewinns einer jeden Wissenschaft, der nie ein geradliniger Weg ist, sondern bei dem es immer Vor- und Rückschritte gibt. Durch die grafische Umsetzung werden Irrtümer, Fehlschreibungen, Missinterpretationen, Wunschdenken, fantasievolle Ergänzungen und das Hineinbringen eigener Vorstellungen auf den Karten wunderbar visualisiert und damit deutlich sichtbar gemacht.
… er lehrt, die Karten zu lesen.
In die Karten fließen das Wissen und Unwissen der Kartografen verschiedener Traditionslinien ein, sie spiegeln deren Auffassungen und Weltbilder.
Die Einführung von Lutz Walter, die gut sortierten Karten und die dazugehörigen Erläuterungen vermitteln einen hervorragenden Überblick, auf welche Eigenschaften zu achten ist, um die Karten zu unterscheiden.
… er macht deutlich, wie sensibel Karten sind.
Im Zeitalter von Satellitenbildern, Navigationssystemen und Online-Kartendiensten ist es unvorstellbar, wie wertvoll der Besitz von Karten vor einigen hundert Jahren war. Karten waren nie harmlos, nie interesselos. Sie zu besitzen bedeutete damals wie heute Macht, und die europäische Kolonialgeschichte ist eng mit der Geschichte der Entdeckungsfahrten verbunden. Die Lektüre des Katalogs macht deutlich, wie berechtigt das Ansinnen der japanischen Regierung war, keine Informationen nach außen dringen zu lassen, um politisch und wirtschaftlich möglichst unabhängig zu bleiben.
Susanne Phillipps
22.09.2025 (Ausgabe 20)
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Buch-Arrangement Historische Lankarten: Von Susanne Phillipps – Eigenes Werk
01: By Abraham Ortelius – raremaps.com, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11327603
02: By Lord Nicolas the German (Donnus Nicholas Germanus), cartographerJohann the Blockcutter of Armsheim (Johannes Schnitzer or Johannes de Armsheim), engraver – Extrait du périscope “La cartographie”, éditions PEMF – CANNES, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=931728
03: Von Sebastian Münster – http://www.columbia.edu/itc/mealac/pritchett/00generallinks/munster/maps/aa_maps.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=55217395
04: Por Cardeña2 – Obra do próprio, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18184827
05: By Hendrik van Langren – This map is available from Eran Laor Cartographic Collection of the National Library of Israel. link to the source:Exacta et accurata delineatio cum orarum maritimarum tùm etjam locorum terrestrium quae in regionibus China, Cauchinchina, Camboja, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=135349819
06: Von Francesco Rosselli – https://www.raremaps.com/gallery/detail/66460/early-photographic-facsimile-of-the-contarini-roselli-world-contarini-rosselli, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=89479099
07: Von Abraham Ortelius (scan) – Indiae Orientalis Insvlarvmqve Adiacientivm Typvs 1572, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18773229
08: Von Petrus Plancius (Dutch name: Pieter Plattevoet), Dranouter, 24-02-1552 – Amsterdam, 15-05-1622. Engravings: Jodocus Hondius, Wakken, 14-10-1563 – Amsterdam, 12-02-1612. Publisher: Cornelis Claesz, Steenwijk, 02-03-1551 – Amsterdam, 4-12-1609. – [2]Devilscolors.nl, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=145605894
09: Von Petrus Plancius – https://www.raremaps.com/gallery/detail/58359/orbis-terrarum-typus-de-integro-multis-in-locis-emendatus-au-plancius, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=106196342
10: Von J. Hondius, misattributed to Gerardus Mercator – Personal photo from Belgium art auction, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7007981
https://commons.wikimedia.org/wiki/Gerardus_Mercator?uselang=de#/media/File:Japonia.Mercator.JPG
11: By Cardim, Antonio Francisco (1596-1659). Cartographe – Bibliothèque nationale de France, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=121154888
12: Von Gerhard Mercator/ Jodocus Hondius I/ Henricus Hondius – list, main, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=135430931
13: By Jacob van Meurs – This digital media file – and/or the physical objects depicted on it – originates from the digital and/or physical collections of the Koninklijke Bibliotheek, national library of the Netherlands., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41650980
14: By Alain Manesson Mallet – http://www.columbia.edu/itc/mealac/pritchett/00generallinks/mallet/southeastasia/aa_southeastasia.html, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57418617
15: By Pieter van der Aa – 1. From Naaukeurige Versameling der Gedenk-Waardigste Zee en Land-Reysen (A series of accounts of famous Sea and Land-Voyages). 2. Raremaps.com https://www.raremaps.com/gallery/detail/49776/japan-and-island-of-korea-william-adams-reystogt-na-oost-i-van-der-aa, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=95561396
16: Von Johannes Janssonius – Dieses Bild stammt aus der Polona Digital Library und ist verfügbar unter der URL: https://polona.pl/item/joannis-janssonii-atlas-contractus-sive-atlantis-majoris-compendium-in-quo-totum,MTI3MDI0Mjcx/328/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=110921886
