Architektur zum Staunen – die Grundideen der japanischen Ästhetik sichtbar gemacht
Living in Japan. Fotos von Reto Guntli, Texte von Alex Kerr und Kathy Arlyn Sokol, herausgegeben von Angelika Taschen (2018). Köln: Taschen [Original von 2006]; 512 Seiten.
Die Bildbände des Taschen-Verlags sind legendär. Sie liegen schwer in der Hand. Sie präsentieren Kunst und Design, Fotografie und Film, Architektur und Lifestyle, quer durch alle Kulturen und alle Jahrhunderte. Die Bücher sind ansprechend gestaltet und vor allem: erschwinglich.
Der Band, den ich hier vorstelle, ist ein Bestseller, inzwischen auch ein moderner Klassiker. Er versammelt auf 500 Seiten Fotos japanischer Gebäude, die zu verschiedenen Zeiten errichtet wurden und die doch eines gemeinsam haben: Sie zeigen sich den Grundideen der japanischen Architektur, des Garten- und Innendesigns verpflichtet.
Über den Fotografen
Der Schweizer Fotograf Reto Guntli veröffentlicht Bildbände und Reportagen vor allem über Architektur, Interieur, Kunst und Design. Seine Beiträge erscheinen in den führenden Magazinen wie „Architectural Digest“, „Vogue“ und anderen. Bekannte Luxushotels und Resorts engagieren ihn als Werbefotografen. Sein Blick richtet sich auf den glanzvollen Lebensstil in den Ländern der Welt. Zu seiner Titelliste gehören auch die beiden Bände „Die schönsten Buchhandlungen Europas“ und „Bücherwelten – Von Menschen und Bibliotheken“.
Achtung: Die Fotos, die diese Empfehlung hier begleiten, stammen nicht aus dem Buch. Sie wurden im Alltag aufgenommen und haben deshalb keine so bezaubernde Wirkung wie die Fotos im Bildband.
Über die Autorin und den Autor der Texte
Der US-Amerikaner Alex Kerr (geb. 1952) kam als Kind zum ersten Mal nach Japan. Nach Abschluss seines Studiums lebte er als Schriftsteller und Forschender in dem Land. Im Zentrum seines Interesses stehen die traditionellen Künste, er selbst betätigt sich als Kunstsammler und Kalligraf.
Im Laufe der Jahre hat er mit seinem Team über zwanzig traditionelle Häuser renoviert, die meisten davon in Japan, einige in Thailand. Darunter befinden sich auch alte Kaufmannshäuser in Kyōto (machiya), die an Touristen vermietet werden. Seit einigen Jahrzehnten verbringt er die Hälfte des Jahres in Japan, die andere in Thailand.
Kathy Arlyn Sokol ist Sachbuchautorin, Interviewerin und preisgekrönte Sprecherin. Zu ihren veröffentlichten Werken gehören „Rasta Time“, das auf einem Exklusivinterview mit Bob Marley basiert, und „Another Kyoto“, das sie gemeinsam mit Alex Kerr über die Stadt geschrieben hat. Sie selbst hat über 30 Jahre in Kyōto gelebt.
Über das Buch
Das Buch beinhaltet:
– eine Japan-Karte: Knallrot liegen die japanischen Inseln auf weißem Grund. Zarte, schwarze Striche verweisen auf die Lage der 28 Gebäude, die gezeigt werden.
– die Vorstellung der 28 Gebäude auf jeweils 4 bis 14 Doppelseiten. Die ersten drei Seiten der Beiträge sind einheitlich gestaltet: zunächst eine Doppelseite mit einem großen Foto und dem Namen des Gebäudes, danach eine Textseite mit knappen Angaben zum Haus. Die weiteren Seiten teilen sich Fotos und Erklärungstexte.
– ein Glossar (4 Seiten).
– eine Adressenliste der Architekten, Designer, Antiquariate sowie der Hotels und der Gebäude, die man besuchen kann (2 Seiten).
Die Sortierung
Die Vorstellung der Anwesen ist grob geografisch geordnet: erst die Gebäude im Westen (Kyōto, Kameoka, Ōsaka, Hyōgo, Kagawa, Tokushima), dann die im Osten (Niigata, Gunma, Nagano, Kanagawa, Kamakura, Tōkyō). Obwohl dies nicht durchgängig so ist, bringt es tendenziell mit sich, dass zuerst eher traditionelle Häuser, dann moderne Gebäude gezeigt werden, die überlieferte ästhetische Prinzipien in gegenwärtige Bauformen umsetzen.
Die Auswahl traditioneller Gebäude
Die Häuser stammen aus verschiedenen Epochen der japanischen Baugeschichte, die ältesten wurden vor einigen hundert Jahren während der Edo-Zeit (1600-1868) gebaut.
So eröffnet der Bildband mit dem berühmtesten Hotel Japans, dem Tawaraya in Kyōto. Das Haus beherbergt seit dreihundert Jahren Gäste und gehört damit zu den ältesten der Welt, gilt zugleich als eines der exklusivsten. Jedes der 18 Zimmer verfügt über einen kleinen japanischen Garten, und aus diesen Gärten stammen die meisten Fotos des Bandes: mit dem Blick aus den Zimmern auf Farne, Gräser und mit Moos bewachsene Wasserbecken, auf denen Schöpfkellen liegen.
01. Schild des Ryokan Tawaraya in Kyōto.
Die ausgewählten Häuser haben sehr unterschiedliche Geschichten: Einige wurden immer wieder renoviert und haben bis heute ihre ursprüngliche Funktion behalten (wie das Tawaraya). Andere sind im Original erhalten und haben als Gästehäuser, Museen oder Kunstprojekte eine neue Bestimmung gefunden.
So werden zwei traditionelle Stadthäuser (machiya) in Kyōto als Hotels genutzt. Sie verfügen mit ihren groben Deckenbalken und den innen liegenden Gärten (tsuboniwa) über einen ganz besonderen Charme.
02. Ein innen liegender Garten (tsuboniwa).
03. Blick von oben: Die Bäume sind mit Stroh bedeckt, um sie vor Kälte und Schnee zu schützen.
Das Sugimoto-Haus, das im Bildband vorgestellt wird, ist eines der größten traditionellen Kaufmannshäuser von Kyōto, die heute noch erhalten sind. Familie Sugimoto betätigte sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts über Generationen hinweg als Kimono-Großhändler. Das Gebäude gilt als wichtiges nationales Kulturgut und zeigt regelmäßig Ausstellungen.
Exkurs: Die Grundstruktur eines traditionellen Stadthauses
Ein traditionelles Stadthaus ist an der Straßenfront zwar schmal, die Räume und Anbauten ziehen sich aber überraschend weit nach hinten. Der Hauptstraße zugewandt liegen die Geschäftsräume, im hinteren Teil befinden sich Lager und Wohnräume.
Die Außenfassade ist je nach Ort unterschiedlich gestaltet. In Kyōto bestimmen mit Holzlatten abgeschirmte Erkerfenster, eine große Holztür und Bambusleisten am unteren Rand der Außenwand (inuyarai) die Fassade. Feine Fenster mit einem Gipsgitter sorgen für die Belüftung der kleinen Bodenspeicher.
04. Straße mit traditionellen Häusern in Gion, Kyōto
05. Gebäude in Nara, an dem die senkrechten Fenster (mushiko mado) im ersten Obergeschoss gut zu erkennen sind.
Die Zimmer im Inneren sind mit Tatami-Matten ausgelegt und verfügen über eine Ziernische (tokonoma) für dekorative und zeremonielle Gegenstände. In einem der Räume befindet sich der Altar der Familie zum Gedenken an die Ahnen. Zu dem Gebäude gehören eine von den Wohnräumen getrennte Küche und extra stehende Lagerhäuser (kura).
Neue Funktionen
Auch mit ihrer neuen Bestimmung spiegeln die Gebäude bis heute das Leben ihrer damaligen Bewohner: Es waren Bauern- und Kaufmannshäuser, Schreine, Adelssitze, Bäder bei heißen Quellen (Onsen).
Das Yoshida sansō, heute ein Gästehaus (Ryokan), ist ein ehemaliger Adelswohnsitz, der in den Bergen nordöstlich von Kyōto liegt. Heute wird er von einer Kalligrafin geführt.
06. Zufahrt zum Ryokan Yoshida sansō.
Das Kameoka Tenmangū-Haus ist ein 400 Jahre altes ehemaliges buddhistisches Nonnenkloster, das vor 150 Jahren nach Kameoka verlegt wurde, um den Verwalter des Shintō-Schreins zu beherbergen. Tenmangū-Schreine gibt es überall in Japan, sie sind dem Gelehrten Sugawara no Michiane (845-903) gewidmet. Alex Kerr, der Autor der Begleittexte, mietete das Haus, renovierte es mit Freunden und trug dort seine Sammlung an Kunstwerken zusammen.
Es ist in Japan nicht selten, Häuser von ihrem ursprünglichen Standort abzutragen und an einem neuen Ort identisch wieder aufzubauen (im Bildband wird zum Beispiel das Yoshihiro Takishita House vorgestellt). Sie alle sind modernisiert.
Andere Gebäude wirken sehr alt, wurden aber tatsächlich erst vor einigen Jahrzehnten neu gebaut. Wie der Go’o-Schrein auf Naoshima, der von Sugimoto Hiroshi entworfen wurde und Teil des Art House Project ist.
07. Eine Glastreppe verbindet eine unterirdische Steinkammer mit der Haupthalle des Go’o-Schreins und lässt so die unterirdische Welt mit der oberirdischen verschmelzen.
Einige moderne Gebäude
Der Bildband präsentiert Wohnhäuser der Stararchitekten Andō Tadao, Kuma Kengo und Ban Shigeru. Obwohl sich alle drei auf Charakteristika des klassischen Designs beziehen, könnten ihre Bauten unterschiedlicher nicht sein.
Andō Tadao (geb. 1941) steht für einen konsequenten Minimalismus. Seine Gebäude bestehen aus einfachen, sich wiederholenden geometrischen Grundformen. Er arbeitet mit Platten aus Sichtbeton in der Größe von Tatami-Matten. Von ihm werden das Yagi House in Ōsaka und das 4 x 4 House in Akashi bei Kōbe vorgestellt. Beide Häuser werden durch karge rechteckige Flächen, raue Mauern aus Beton und hölzerne Einbaumöbel dominiert. Das Yagi-Haus ist zu den Bergen hin komplett verglast.
Das 4 x 4 House ist eher ein Turm, der direkt an das Wasser gebaut wurde. Das oberste Stockwerk des Gebäudes ist ein leicht versetzter, komplett verglaster Würfel mit Blick auf die Brücke hinüber zur Insel Awaji. Inzwischen wurde in direkter Nachbarschaft eine Kopie errichtet, so dass sich nun zwei fast identische Häuser wie in einem Spiegel gegenüberstehen.
08. Das Azuma-House in Ōsaka von Andō Tadao wird zwar nicht in dem Bildband vorgestellt, aber es vermittelt einen Eindruck einer seiner abschirmenden Außenfassaden.
Den Gebäuden von Kuma Kengo (geb. 1954) merkt man die Freude am Experimentieren mit den unterschiedlichsten Materialien an. Er nutzt mit Stahlbeton gefüllte Bambusröhren, in mehreren Schichten angelegte Holzrahmen, netzartige Außenhäute aus extra dünn gezogenen Metallfolien oder Papierbögen. In filigranen, vielschichten Gitterstrukturen entstehen fast wolkenähnliche Gebäude, andere sind in ihrer Fassade begrünt. Von ihm stammt zum Beispiel das Asakusa Culture Tourist Information Center.
09. Takahama Café in Tottori von Kuma Kengo.
Der Bildband stellt drei Häuser von Kuma Kengo vor. „Forest Floor“ ist ein komplett in Weiß gehaltenes, fast zerbrechlich wirkendes Gebäude. Die Rundum-Verglasung gibt den Blick auf die Bäume frei, die das Haus umgeben. Das „Lotus House“ wird durch freischwebende Treppen und Wände im Schachbrettmuster dominiert. Die Außenwände des „Plastic House” bestehen aus Paneelen aus dem Kunststoff Polyurethan, die bei Dunkelheit einen laternenartigen Effekt mit sanftem Licht erzeugen. Im Inneren lassen durchsichtige Stufen aus Fiberglas das Licht vom Dachgeschoss bis in den Keller hinunterfallen.
Anmerkung:
Zitat von Polytec Industrial: „Der (nach)leuchtende Effekt wird durch ein phosphoreszierendes Polyurethan erzeugt. Durch UV-Strahlung (z.B. Sonnenlicht) werden Atome und Moleküle im Polyurethan angeregt, sodass dieses im Dunklen leuchtet. Die Leuchtkraft ist abhängig von der Bestrahlungsdauer sowie der Größe des phosphoreszierenden Polyurethan-Bauteils und kann mehrere Stunden anhalten.“
Ban Shigeru (geb. 1957) ist heute für seine Gebäude berühmt, die vorwiegend aus Papier und recycelten Pappröhren bestehen. Papier ist kostengünstig, überall und jederzeit erhältlich – schlagende Vorteile bei der schnellen Errichtung von Notunterkünften und Infrastruktur für Menschen, die nach Katastrophen obdachlos geworden sind. Ban Shigeru baute beispielsweise den Japanischen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover, nach der Weltausstellung wurde das Baumaterial aus Papier zu Brei eingestampft wieder zum Ausgangsmaterial neuer Projekte.
Der Bildband präsentiert sein 2003 fertiggestelltes „Shutter House“ (Tōkyō), ein Gebäude aus neuen Materialien in Baukasten-Architektur, mit netzartigen Blenden und begrünten Fassaden. Die Natur scheint in dieses Haus hineinzugreifen.
10. Das Welterbe-Zentrum des Berges Fuji in Shizuoka stammt von Ban Shigeru. Es wurde Ende 2017 eröffnet. Das Holzgitter hat die Form eines umgedrehten Vulkankegels.
Die Gestaltung des Bildbandes
Die Gebäude werden auf den Fotos exzellent wiedergegeben: Die Blickwinkel und Bildausschnitte sind meisterhaft gewählt, die Beleuchtung sättigt die Farben und sorgt für Kontraste, die Schärfe auf allen Bildebenen unterstreicht die Formen und Strukturen der Objekte. Die Fotos konzentrieren sich stets auf das Wesentliche.
Und sie haben absoluten Vorrang vor den Texten – auch wenn sie auf Deutsch, Englisch und Französisch kommentiert werden. Die Begleittexte sind in sehr kleiner Schriftgröße gedruckt, sie haben fast keine Chance, überhaupt wahrgenommen zu werden. Trotzdem sind sie wichtige Wegweiser.
Sie erklären spezielle Bautechniken und Arrangements, das Innendesign und die Gartengestaltung, und führen dabei auch die japanischen Begriffe ein. Leider wird auf die Längungen über den japanischen Vokalen verzichtet, gelegentlich sind die Vokale innerhalb eines Wortes verdreht.
Das eigentliche Thema: das gestaltete Schöne
Der Titel des Bildbandes lautet „Living in Japan“. Fast niemand lebt so in Japan. Oder anders gesagt: Fast niemand kann es sich leisten, so in Japan zu leben. „Wohnen in Japan“ wäre doch eher die Postkartenserie mit Blicken in Tōkyōter Einzimmer-Apartments, die mit Alltagsgegenständen vollgestopft sind.
In diesem Band geht es darum, Merkmale des ästhetischen Bauens und Einrichtens im Ideal greifbar zu machen. Bereits beim ersten Durchblättern fällt auf: Es sind rechteckige Formen, regelmäßige Strukturen, Rahmen in Rahmen, die unzählige Male wiederholt werden, als Raster auf den mit Papier bespannten Schiebetüren, als Struktur der Tatami-Matten, als Holzbalken, als Schilfrollos oder Bambusgitter.
Durchbrochen werden diese strengen Strukturen von Zweigen, Ästen oder Blumenarrangements.
Die vorherrschenden Farbtöne der Gebäude werden vom Baumaterial bestimmt. Bei traditionellen Häusern sind dies Brauntöne, bei modernen Gebäuden das Grau des Betons, oft auch Weiß, durchsetzt vom Braun der eingebauten Holzmöbel.
Von Bedeutung sind Durchblicke und das Spiel mit dem Licht: der Kontrast zwischen der Dunkelheit der Innenräume und dem hereinfallenden Licht, mit Fenstergittern, die sich wie Scherenschnitte abzeichnen. Tiefe wird durch verschiedene Ebenen erzeugt: der Korridor mit dem Steinfußboden, die erhöhte Ebene mit Holzdielen, die Zimmer mit Tatami-Matten.
Die Einrichtung
Die Räume sind mit erlesenen Accessoires ausgestattet. So gibt es bemalte Stellschirme, Lampen aus Holzrahmen und Papier (andon), Kerzenständer, lackierte Holzwaren, erlesenes Steingut und Keramikarbeiten, Wandschirme mit Kalligrafien und viereckige Papiertafeln für Gemälde und Gedichte (shikishi).
11. Gusseiserne Kessel (tetsubin) hängen, wie hier, über Feuerstellen (irori) oder stehen auf hölzernen Kohlebecken (hako-hibachi).
12. Bodentiefe Papier-Schiebetüren (yukimi shōji, wörtl.: „Schiebetür, durch die man den Schnee sehen kann“) in einem Gästehaus in der Präfektur Tottori.
Die Fotos wirken wie eine in die Gegenwart versetzte, aktuelle Version des Buches „Japanese Homes and their Surroundings“ von Edward S. Morse (1838-1925), das 1886 erschien. Der US-amerikanische Zoologe, Völkerkundler und Archäologe Morse wurde 1877 als Professor an die Kaiserliche Universität Tōkyō berufen. Während seiner Zeit in Japan wurde ihm bewusst, dass sich das Land in einer Umbruchphase befand. In Skizzen hielt er daher die traditionelle Bauweise, Alltagsgegenstände und Blumenarrangements fest. – Tatsächlich ist die damalige Wohnwelt aus dem japanischen Alltagsleben verschwunden, und der Bildband zeigt sehr spezielle Orte, an denen sie erhalten wurde.
In den Gärten – innen und außen
Wichtig bei allen Gebäuden ist das Zusammenspiel von Innen und Außen. Bei den traditionellen Häusern sind es zum einen die Blumenarrangements und Gestecke, die die Jahreszeit ins Haus holen, zum anderen der Blick hinaus in die Gärten. Inmitten von Farnen, Azaleen und Ahorn finden sich dort Reinigungsbecken, Steinlaternen und Bambusrohre sowie Trittsteine, die durch den Garten führen.
13. Steinlaterne (ishidōrō)
14.-15. Innen- und Außenbereich sind in traditionellen Häusern nie getrennt zu betrachten.
Die modernen Gebäude schaffen mit durchgehenden Glasfassaden fast ein Verschmelzen der Innen- mit der Außenwelt: Bei vielen Gebäuden, allen voran beim „Forest Floor“, scheint es keine Grenze zwischen Innen und Außen mehr zu geben.
Die Fotos sind genießenswert und die Texte lesenswert, denn …
… sie schärfen den Blick.
Besonders spannend sind Häuser aus Übergangsphasen. In den 1920er Jahren beispielsweise gelang der historische Mix aus traditionellen japanischen Elementen mit westlichem Innendesign: mit Stühlen, Tischen, Kronleuchtern, Tiffany-Lampen inmitten japanischer Architektur.
Kunstprojekte wie das archaisch wirkende „Stone House“, das „House of Light” oder das „Dream House” verdeutlichen, wie traditionelle Elemente mit modernen Komponenten und Baumaterialien eine Symbiose eingehen, wie Charakteristisches aus beidem sich ergänzt, ineinander fließt.
Auch die momentan sehr gefragten Mini-Häuser (Tiny Houses) werden als moderne Umsetzung klassischer Prinzipien verständlich.
… sie setzen die Grundideen der japanischen Ästhetik perfekt in Szene.
Die Fotos in dem Bildband blenden alles aus, was stören könnte: Nichts ist zu spüren von der für Japan typischen Mischung des unheimlich Schönen mit dem unheimlich Banalen, dem Alltäglichen, dem Stahlbeton gleich nebenan.
16. Straßenfront des Tawaraya (siehe Abb. 01). Im Gegensatz zu diesem Foto sind auf dem Foto im Bildband weder der Asphalt, noch die Gebäude im Hintergrund, noch die in Japan allgegenwärtig vorhandenen Stromleitungen sichtbar. Das Foto im Band konzentriert sich auf einen Ausschnitt der Fassade des Gebäudes (S. 11).
Die Innen- und Außenansichten sind perfekt aufbereitet, wie menschliche Models. So lassen die Fotos von den traditionellen Häusern gar keinen Gedanken an die Kälte in alten Holzhäusern oder an das unbequeme Sitzen auf dem Boden zu. Es sind Interieurs, die Luxus ausstrahlen: Räume, die zum Abendessen oder zum Schlafen hergerichtet wurden, ohne jegliche Spuren eines wirklichen Alltagslebens.
Das macht sie zu Protoypen ästhetischer Anschauung. Reto Guntli zeigt Träume, auch mit den Fotos in diesem Band.
Susanne Phillipps
22.12.2023 (Ausgabe 13)
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Bildnachweis
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