Sich Japan mit der Kamera nähern

Nikon-Kamera auf Stativ ist auf das Buch "Japan - Abseits von Kirschblüten und Kimono" von Patrick Rohr gerichtet

Fokus Japan. Unterwegs mit Patrick Rohr. In zwei Versionen: als DOK-Serie (3 Teile à 42 min; von 2017) und als Film (1:32 h; von 2020); beide auf Schweizerdeutsch oder auf Deutsch; Schweiz: SRF.

Es ist immer eine Gratwanderung, Interessierten, die ein Land noch nicht bereist haben, einen breiteren Eindruck von diesem Land zu vermitteln. Generell besteht die Gefahr, sich mit der Schilderung zu großer Zusammenhänge in Klischees zu verfangen oder in Verallgemeinerungen zu verlieren. Aber ebenso kann es in die Irre führen, nur auf das Außergewöhnliche – auf abenteuerliche Lebensläufe, einzigartige Interessen oder besondere Begebenheiten – zu setzen.

Patrick Rohr hat diese Herausforderung angenommen. Als ehemaliger Fernsehmoderator ist er in der Schweiz eine bekannte Persönlichkeit. Er betreibt eine Agentur für Kommunikation und Medientraining und ist als Fotojournalist weltweit unterwegs.

Für „Fokus Japan“ hat das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) ihn bei einer knapp sechswöchigen Japan-Reise begleitet. Entstanden ist eine Serie von drei Dokumentarfilmen à 42 Minuten nicht allein über Japan, sondern vor allem auch über die Interaktion von Patrick Rohr mit Japanerinnen und Japanern. Seine Leitfrage lautet: Wie leben und denken die Menschen hier?

breites Panorma von Tōkyō, aus Richtung Süden aufgenommen (Minato-ku), Blick auf Tōkyō Tower, Hochhäuser und Tempelgelände.

01. Tōkyō ist Patrick Rohrs erste Station in Japan. Zu Beginn des Films fasst er die allerwichtigsten Daten zur geografischen Lage Japans zusammen.

Der Film

Entstanden ist eine Dokumentation, die in einzelnen Episoden die Reisestationen, besser: die Interviewstationen von Patrick Rohr nachzeichnet. Die wichtigsten sind neben Tōkyō und Kyōto die vom Tsunami 2011 zerstörte Kleinstadt Onagawa und die Inseln von Okinawa.

Im Zentrum stehen die Menschen, die er dort trifft. Einige seiner Gesprächspartner/innen stehen für größere Gruppen in der japanischen Gesellschaft, zum Beispiel junge Leute mit zwei Jobs, die von einem spannenderen Leben träumen. Wie ein Mann, der sein Angestellten-Dasein in einer Firma beendet hat und jetzt als Barkeeper arbeitet, wieder bei seinen Eltern wohnt und außerdem Secondhand-Kleider aus den USA verkauft, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Oder ein junger Fischhändler, von dem erwartet wird, dass er das Geschäft seines Vaters übernimmt, in einem Nebenjob Werbung für ein Autohaus macht und an der Mister-Japan-Wahl teilgenommen hat.

Die Interviews reißen die aktuellen Themen der Gesellschaft an. Wie in der Singles Bar Eden, in der Patrick Rohr einen Abend lang bei einer Partnervermittlung dabei sein darf und nicht nur Singles nach ihren Wünschen fragt, sondern auch den Manager danach, woran es denn hapert, dass so viele junge Menschen in Japan ungewollt allein leben.

Andere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner stehen für die Kultur und die Popkultur des Landes: Vertreter/innen von Kampfkünsten, des Zen oder der Popmusik, Bereiche, für die Japan im Ausland berühmt ist.

Die Episoden werden durch kurze Reiseszenen voneinander getrennt. Sie dienen als Pause: Während dieser Einschübe resümiert Patrick Rohr das bisher Erlebte und erklärt, was er als nächstes vorhat. Einmal staunt er am Hauptbahnhof Tōkyō über die Arbeit eines Reinigungstrupps im Shinkansen, der innerhalb von sieben Minuten ein Zugabteil säubern muss. Dabei steht er der Truppe ungewollt im Weg. Ein anderes Mal schrammt er beim Autofahren im ungewohnten Linksverkehr leicht mit dem Seitenspiegel Abgrenzungspfosten aus Plastik. Dass diese Szenen in den Film eingingen, macht ihn äußerst sympathisch, es vermittelt eine unmittelbare Nähe zum Geschehen.

Andere kurze Pausen sind Zeitraffer, bei denen die Kamera auf den Ort gerichtet ist, an dem Patrick Rohr übernachtet, und die Abenddämmerung, die Lichter der Nacht und das Hellwerden am folgenden Morgen einfangen.

Der Fotograf liegt in einer Kapsel eines Kapselhotels, seine Beine sind zu sehen. Rechts das Bedienpult für Audio/ Video und Lüftung. Der Fernseher läuft, die Tür der Kapsel steht offen und gibt den Blick auf den Gang mit den Türen zu den anderen Kapseln frei.

02. Abwechslung auch bei den Übernachtungen: In Kyōto schäft Patrick Rohr in einem Kapselhotel. – Im Bett einer Kapsel: Blick auf den Fernsehbildschirm und hinaus auf den Gang.

Traditionelles Holzhaus im gasshō-Stil (gasshō-zukuri): Das Holzhaus steht auf einem steinernen Fundament, das Stroh gedeckte Dach ist steil.

03. Ganz anders in Ainokura: Dort gibt der Film Einblicke in eine Privatpension (minshuku) in einem traditionellen Haus. Die Dächer dieser Häuser sind steil, um im Winter dem meterdicken Schnee standzuhalten.

Im Hintergrund das Team

Schnell wird klar, dass Patrick Rohr gut vorbereitet war und während seines Besuchs von einem hervorragenden Team begleitet wurde.

 

Als Einstieg in den Film dient ein Treffen mit Christine Haruka Satō. Sie ist in der Schweiz aufgewachsen, ging mit 16 Jahren nach Japan und wurde dort eine TV-Personality, bekannt als Moderatorin von Spielshows und Gast bei Talkshows. Mit ihr unterhält sich Patrick Rohr über grundlegend Anderes in der japanischen Kultur.

 

Dieses erste Zusammentreffen inmitten des Treibens der Kirschblüten-Feiernden verdeutlicht eine grundlegende Technik von Patrick Rohr: Er macht Klischees über Japan, von denen er gelesen oder gehört hat, zum Thema, bittet sein Gegenüber um eine Einschätzung und ergänzt diese mit seinen Beobachtungen. Beim Feiern sieht er überhaupt nicht zurückhaltende Japanerinnen und Japaner (I, 0:05), wundert sich aber kurz darauf über ein Rāmen-Restaurant, in dem die Einzelsitze durch einen Sichtschutz von anderen Gästen und von der Bedienung abgetrennt sind. Hier redet er mit Christine Haruka über die Vorstellung, „dass man in Japan keine Meinung haben darf“ (I, 0:08).

Viele Menschen drängen sich auf einer breiten Kirschbaum-Allee im Ueno-Park. Die Bäume stehen in voller Blüte, die Allee ist mit rot-weißen Laternen geschmückt.

04. Das Feiern unter Kirschblüten ist einer der Höhepunkte im Frühling.

Schild auf Englisch und Japanisch mit Regeln für das Kirschblüten-Feiern im Ueno-Park: keine laute Musik, keine Tische, Grills, Zelte, Rauchen verboten. Die Kirschblüten sollen nicht berührt werden. Eine niedliche Strichfigur in Form einer Kirschblüte erklärt dies.

05. Regeln für das Feiern im Ueno-Park, Tōkyō.

Drei Bilder von ein und derselben Nō-Maske, die an einer Wand aufgehängt bei identischem Lichteinfall unter verschiedenen Winkeln fotografiert wurde. Die drei Bilder zeigen unterschiedliche Emotionen, obwohl es sich um ein und dieselbe Maske handelt.

06. Der Masken-Schnitzer erklärt die unterschiedliche Wirkung von Masken je nach dem Neigungswinkel: Der Ausdruck ändert sich mit der Neigung des Kopfes.

Der Umgang miteinander, der Gegensatz von Gesicht und Maske, wird in der Dokumentation an mehreren Stellen thematisiert, auch beim Zusammentreffen mit einem Schnitzer von Nō-Masken. Dieser verneint einen direkten Zusammenhang zwischen der Gewohnheit, sein „wahres Gesicht nicht zu zeigen“ und der Maske im Nō-Theater. Zugleich weist er aber auf die allgemein verbreitete Kunst der impliziten Darstellung hin: der Gewohnheit, nicht aktiv etwas zu äußern, sondern das Gegenüber etwas eher indirekt spüren zu lassen (III, 0:17).

Während der ersten beiden Wochen seines Aufenthalts wird Patrick Rohr von Dennis Kyōsuke Ginsig begleitet. Patrick Rohr bezeichnet ihn als seinen Sprach- und Kulturübersetzer. Dennis Ginsig lenkt seinen Weg und seinen Blick auf der Straße, führt ihn in spezielle Restaurants, kleine Bars, schafft über sein persönliches Netzwerk Kontakte.

Außerdem gibt er Patrick grundlegende Informationen, wie zum Beispiel darüber, dass kaum Sachen gestohlen werden, dass sich das soziale Leben meist außerhalb der eigenen vier Wände abspielt. Im lockeren Gespräch zwischen den beiden werden so Aspekte des Alltags vermittelt.

Die Reaktionen und Überlegungen von Patrick Rohr mischen sich mit dem Hintergrundwissen seines Begleiters. Dies ergibt eine Balance zwischen einem Vorwissen, das es ermöglicht, umsichtige Fragen zu stellen, und einem neugierigen Blick von außen, der nichts als selbstverständlich nimmt. Das Zusammenkommen der verschiedenen Akteure und ihrer persönlichen Einschätzungen macht diesen Film spannend.

Enge Gasse voller Menschen von Kabukichō bei Nacht, bunte Neon-Lichter an den Häuserwänden links und rechts.

07. Am Abend führt Dennis Patrick in das Unterhaltungsviertel Kabukichō in Shinjuku.

Sechseckige Bentō-Kiste mit Reis und buntem Gemüse, gebratenem Ei und Sauce.

08. Er erläutert Patrick, wie man Bentō richtig genießt …

Unter freiem Himmel: Dampf steigt aus dem heißen Wasser eines Bades für Herren auf, Eiszapfen hängen vom Vordach herunter, um das Becken liegt eine dicke Schneeschicht.

09. … und erklärt ihm die in Japan angemessenen Verhaltensweisen, sei es auf dem Bahnsteig oder in einem öffentlichen Badehaus.

Die Kamera

In intensiven Gesprächsmomenten bewegt sich die Kamera zwischen Patrick Rohr und seinem japanischen Gegenüber und zeigt in Nahaufnahmen die Mimik der beiden Hauptakteure. Dies macht die Gespräche lebendig: Es verdeutlicht einerseits die Gefühlswelt der Interviewten und zeigt andererseits, wie die Aussagen auf Patrick Rohr wirken.

Oft, vor allem im ersten Teil der Dokumentation, bezieht die Kameraführung allerdings Dennis Ginsig mit in das Gespräch ein. Die Kamera geht ein Stück zurück, und die Bilder bewegen sich zwischen drei am Gespräch beteiligten Personen: Als Coach wiederholt Dennis Ginsig für Patrick Rohr kurz vor der Begrüßung eines Gesprächspartners noch einmal dessen Namen, als Dolmetscher ist er für die Gespräche unentbehrlich. Dieser Prozess der Entstehung, von dem in anderen Dokumentationen oft nichts übrig bleibt, ist hier sichtbar, und das macht den Film interessant.

Zum Beispiel an einem wenig glamourösen Tag, den Patrick Rohr und Dennis Ginsig mit dem Manager und einem Mitglied der Idol-Gruppe Kamen jōshi („Maskenmädchen“) verbringen. Die Selbstvermarktung des Managers steht in Kontrast zu dem müden Gesicht der jungen Frau; im Gespräch mit Dennis geht Patrick auf die Härte des Business ein.

10. Die Mitglieder der Idol-Gruppe absolvieren einen Tag voller Werbeauftritte in Akihabara, dem Stadtteil von Tōkyō, der bekannt ist für seine Elektronik-Läden, Maid Cafés und Shops voller Merchandising-Produkte.

Computer Street in Akihabara: Hochhäuser mit Neon-Reklamen.

Die Gesprächsführung

Die Gespräche bewegen sich zwischen eher formellen Interviews mit bekannten Kulturschaffenden und eher privaten Gesprächen mit Leuten, die von ihren Lebensentwürfen und Schicksalsschlägen berichten.

Patrick Rohr spricht davon, dass er nicht einfach Fotos machen möchte, sondern die Fotos „abverdienen“, also eine Form von Gegenleistung erbringen will. Indem er sich als Interviewpartner in das Tun des Gegenübers einbringt, sich ernsthaft auf die Situation einlässt, zeigt er, dass er sich für die Gesprächspartner wirklich interessiert. So baut er einerseits eine Beziehung zu ihnen auf und wird andererseits Teil des ganzen Geschehens (II, 0:35). Während der Unterhaltung entscheidet er, ob er darum bittet, Fotos machen zu dürfen.

Geharkte Kieselsteine zwischen zwei Felsen in einem Steingarten.

11. Durch das gemeinsame Tun wird Theoretisches greifbarer, zum Beispiel beim Harken der Kieselsteine im Zen-Garten: Nichts ist für die Ewigkeit, immer entstehen neue Muster (III, 0:01).

Seine freundliche Neugier öffnet Patrick Rohr Türen, zum Beispiel hinein in eine sehr enge Tōkyōter Wohnung. Zu Beginn der Dokumentation besucht er einen Online-Händler, der seine Handelsartikel zu Hause aufbewahrt. Er hilft ihm beim Einpacken der Ware und versucht, den Namen des Adressaten auf den Umschlag einer Warensendung zu schreiben. In ihrer Unterhaltung geht es um den Lebenslauf des Händlers und am Rande auch um die japanische Schrift (I, 0:16). Das ist aber nicht alles. Dadurch, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer den Interviewten in seiner gewohnten Umgebung sehen, gewinnen sie einen tieferen Einblick in sein Leben. Sie können seine Aussagen besser einordnen, und es entstehen intensivere Eindrücke.

Tada Hiroshi hat einen Gegner geworfen, dieser wirbelt durch die Luft bei einer Aikidō Demonstration im Nihon budōkan

12. Patrick Rohr besucht die Aikidō-Trainingshalle von Okamoto Yōko, Trägerin des 6. Dan. Das eigentliche Training ist ihm zu gefährlich, aber er nimmt an der Meditation und am Putzen teil. So wird die Atmosphäre vor Ort gut vermittelt. – Die Bewegungen der Aikidō-Kämpferinnen und Kämpfer wirken in der Zeitlupe bei der vollkommenen Übereinstimmung tatsächlich wie ein Ballett. Patrick Rohr erkennt in der Kampfkunst eine Persönlichkeitsschulung: Das körperliche Training bereitet darauf vor, auf Situationen angemessen zu reagieren, ohne Aggression, mit Klarheit, Respekt und eigener Stärke (II, 0:39). – Präsentation von Aikidō-Wurftechniken im Nihon budōkan.

Leidenschaften

An der Hochschule von Fujiyoshida nimmt Patrick Rohr an einem Treffen des Udon-Clubs teil. Den Teig rührend, mit dem Füßen knetend, ausrollend, in feine Stränge schneidend, wird ihm klar, wie viele geheime Techniken in den selbstgemachten Udon-Nudeln stecken. 

Klares Wasser im Fluss Miya im winterlich verschneiten Shimoyoshida, im Hintergrund der Fuji.

13. Fujiyoshida  ist bekannt für seine Udon-Nudeln, das reine Wasser des Fuji geht als Zutat in die Speise ein.

Udon-Nudeln mit einem Blatt getrockneter Meeresalge (nori).

14. Im Film gibt es eine Kurzanleitung zum Herstellen von Udon-Nudeln (II 0:27).

Die Ernsthaftigkeit und Leidenschaft für das Nudel-Machen, die er bei dem 18-jährigen Clubleiter erlebt, berühren ihn, er bewundert dessen Konzentration (II, 0:29). Zugleich wird er hier Zeuge der Präzision, mit der Dinge in Japan oft gefertigt werden, sei es beim Kochen oder bei der Herstellung von Kunst und Kunsthandwerk.

Onagawa

In der Kleinstadt Onagawa trifft Patrick Rohr mehrere Gesprächspartner. Im Alterspflegeheim schlüpft er in die Rolle eines Pflegers: Er gibt das Essen mit aus, und während er der leitenden Pflegerin hilft, ein Bett frisch zu beziehen, spricht er mit ihr über die Probleme, die mit der Überalterung der Gesellschaft einhergehen.

Eine der rührendsten Szenen der gesamten Dokumentation ist ein Gespräch mit einem Fischer des Ortes. Patrick Rohr hilft ihm beim Füttern der Fische in der Aquakultur, Dennis Ginsig dolmetscht. Der Fischer sagt, dass er am 11. März 2011 seinen Vater im Tsunami verloren hat, es fällt ihm schwer, seine Trauer zurückzuhalten (II, 0:10).

Onagawa in Trümmern, nur die Fassaden von einigen Gebäuden aus Stahlbeton stehen noch, im Hintergrund auf einem Hügel das Krankenhaus.

15. Die Stadt Onagawa an der Nordostküste Japans wurde durch den Tsunami am 11. März 2011 fast vollständig zerstört.

16. Jetzt wird der Ort weiter oben am Hang neu aufgebaut, im ehemaligen Zentrum direkt an der Küste gibt es nur noch Geschäfte und Restaurants, keine Wohnhäuser mehr.

Hier treffen Patrick Rohr und Dennis Ginsig den Bürgermeister, der – gut vorbereitet auf seine Gesprächspartner – bei einem frisch zugezogenen Gitarrenbauer auf einer Elektrogitarre ein Stück der Schweizer Hard-Rock-Band Gotthard als Kostprobe gibt (II, 0:05).

Auf Reisen gibt es immer solche überraschenden Momente, und in dieser Dokumentation werden sie gut eingefangen.

Neu aufgebaute Häuser und neu angelegte Straßen an der Wasserfront.

Okinawa

Durch mehrere Begegnungen zeigt die Dokumentation ein für die gegebene Kürze facettenreiches Bild von Okinawa: Patrick Rohr wird Zeuge einer der tagtäglichen Sitzblockaden vor einer Baustelle einer US-amerikanischen Militärbasis – in einem Interview, das er kurz darauf führt, betont die ältere Dame dagegen, dass sie froh ist über die Anwesenheit der Amerikaner. Sie ist eine stolze Frau, die schon viel erlebt hat in ihrem Leben, und leitet über zum nächsten Thema: Die hohe Zahl der Hochbetagten auf Okinawa und die Geheimnisse ihrer Gesundheit. In einem Gemeindezentrum lernt er die älteren Damen des Ortes kennen und ist erstaunt über die Herzlichkeit, sogar Zärtlichkeit, die sie ihm entgegenbringen.

Holzboot mit einem breiten Segel.

17. Viele Kreative suchen auf Okinawa ein Leben nahe der Natur und ohne die Zwänge der dicht bevölkerten Großstädte. Sie leben von selbstbestimmter Arbeit, verdienen dadurch zwar weniger, entziehen sich aber dem Konsumzwang, dem man vor allem bei einem (Arbeits)Leben in Städten ausgesetzt ist.

Patrick Rohr legt Hand an bei einem Bootsbauer auf der im Süden gelegenen Insel Ishigaki. Sabani, traditionelle Holzboote von Okinawa, bestehen ausschließlich aus Holz und werden durch Stäbchen aus Bambus zusammengehalten.

Taro-Felder auf Okinawa, im Hintergrund eine Stadt

18. Auf Okinawa arbeitet Patrick Rohr als freiwilliger Helfer auf einem Biohof (willing worker on organic farms). Er erhält Kost und Logis gegen Arbeit. In der feuchten Hitze hockt er über einem Blumenbeet und jätet mit einer kleinen, rostigen Sichel Unkraut. Beim Abendessen gibt die Gastgeberin einen Einblick in die Geschichte Okinawas.

19. Den Anbau von Gemüse und Obst sieht die 93-jährige Interviewpartnerin als morgendliches Fitnesstraining. – Hier eine Bittermelone (oder Bittergurke, gōyā), die auf Okinawa angebaut wird. Die Bittermelone ist nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern dient auch als Heilmittel und gilt als eine der Ursachen für die Gesundheit der Einwohner.

Eine sich entwickelnde, noch grüne, längliche Frucht der Bittermelone (Bittergurke).

Ein vielschichtiges Bild

Patrick Rohr unternimmt eine Reise mit sehr unterschiedlichen Stationen, die Kamerabegleitung ist beeindruckend. Die Gesprächspartnerinnen und -partner sprechen einerseits für sich selbst, andererseits vermitteln sie in ihrer Gesamtheit wichtige Facetten Japans. Die Episoden ließen sich noch lange fortsetzen, auch in die Schulen, in die Arbeitswelt hinein.

Im Mittelpunkt des zugehörigen Fotobuchs von Patrick Rohr „Japan – Abseits von Kirschblüten und Kimono“ (2017) stehen die Portraitfotos der Personen, die er in Japan getroffen hat. Dies sind nicht nur diejenigen, die man im Film kennenlernt. Es kann allerdings nicht den Entstehungsprozess zeigen, der die Personen im Film so nahbar, so sympathisch macht.

Es ist vor allem dieser Austausch, der den Film wertvoll macht: Auf der einen Seite die sehr persönlichen Reaktionen, die Herzlichkeit, die Traurigkeit, eben nicht die angeblich typisch japanische Verschlossenheit der Interviewten. Und auf der anderen Seite die Neugierde und Offenheit von Patrick Rohr, der sich mit wertenden Urteilen zurückhält, auch wenn ihm einiges „ziemlich speziell“ vorkommt (I, 0:08) – eine geglückte Methode, sich einem fremden Land zu nähern, die den Zuschauerinnen und Zuschauern Raum für eigene Eindrücke lässt.

Susanne Phillipps

20.03.2021 (Ausgabe 02)

Anmerkung

Bei der gekürzten Version fehlen die Episoden zu dem jungen Fischhändler, der Idol-Gruppe, dem Fischer von Onagawa und dem Udon-Nudelclub von Fujiyoshida.

Datenschutzhinweis: An dieser Stelle ist eine Anmerkung notwendig. Ich habe meine Website selbst erstellt, sie nutzt weder Cookies für Webtracking noch Web-Analyse-Programme. Ich verweise auf meine Datenschutzerklärung und verstehe die weitere Nutzung meiner Website als Einverständniserklärung.

Bildnachweis

Header: Von Bruno Cordioli from Milano, Italy – Kimono enchantment, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10405206, Ausschnitt, Schrift eingesetzt.

Buch-Arrangement Fokus Japan: Von Susanne Phillipps – Eigenes Werk

01: By Tokyoship – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23747575

02: Von Kojach – Capsule Hotel VI, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45333672

03: By Zairon – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86880623

04: By Arisdp – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=82622719

05: Von Susanne Phillipps – Eigenes Werk

06: By Wmpearl – Own work, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5920279

07: By Dick Thomas Johnson from Tokyo, Japan – Kabukicho, Shinjuku, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84246950

08: By kazuh from Tokyo, Japan – Flickr.com – image description page, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=341963

09: By Markmark28 – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11764600

10: By Aimaimyi – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17484629

11: By Lhimec – Own work, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21974632

12: By Ignat Gorazd – Tada Hiroshi 9th Dan Shihan – 53rd All Japan Aikido Demonstration at Nihhon budokan, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56795719

13: Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=673863

14: By pelican from Tokyo, Japan – Udon noodle, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77827486

15: By ChiefHira – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14750606

16: By Aw1805 – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=50680049

17: By 津輕良介-https://ja.wikipedia.org/wiki/%E3%83%95%E3%82%A1%E3%82%A4%E3%83%AB:Traditional_sabani_sail.jpg, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57221371

18: By Amoriver Information – Photo taken by Photographer of Amoriver Information, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1707695

19: Von H. Zell – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10702063